Ausstellung

Marko Lulic, »Zollverein«, 2003, Kokerei Zollverein - Zeitgenössische Kunst und Kritik, Essen 2003, Foto: Wolfgang Günzel

Textauszug

»Die offene Stadt«
Das Unternehmen »Kokerei Zollverein - Zeitgenössische Kunst und Kritik« geht jetzt mit seinen Jahresprojekten in die dritte Runde. In einer ehemaligen Kokerei in Essen stellen Marius Babias und Florian Waldvogel seit 2001 engagierte Ausstellungsprojekte vor, die die Möglichkeiten des Genres Ausstellung mit dezidiert politischen Fragestellungen in verschiedene Richtungen erfolgreich ausdehnen. Im ersten Jahr ging es in dem Komplex »arbeit essen angst« um eine sich Stück für Stück entwickelnde, ergänzende und widersprechende Ausstellung, die Themen wie »Neonationalismus« und die »Veränderung von Arbeitsbedingungen« in das Zentrum der ästhetischen Auseinandersetzung stellte. KünstlerInnen wie Angela Bulloch, Tobias Rehberger und Silke Wagner, Olaf Metzel, Jeppe Hein und Franz Ackermann oder Henrik Olesen, Dan Peterman sowie Christine & Irene Hohenbüchler waren damals mit spannenden, meist ortsbezogenen Arbeiten vertreten. 2002 dann konzipierten Marius Babias und Florian Waldvogel mit der dreimonatigen Veranstaltung »Campus« eine Art Sommerakademie, die das Thema Bildungspolitik und ihre sozialen Implikationen in den Blickpunkt rückte. Dabei wurden alternative Formen nicht nur von ästhetischer Erziehung und (Aus)Bildung praktisch ausgetestet. Heuer nun verhandelt »Die Offene Stadt: Anwendungsmodelle« bis Ende September die Problematiken des sogenannten »öffentlichen Raumes«, seiner Entstehung und Konstruktion, seiner Beherrschung beziehungsweise subversiven Aneignung.

Das Ausstellungsprojekt »Die Offene Stadt: Anwendungsmodelle« im Kokerei Zollverein reflektiert diesen postmodernen Strukturwandel der Öffentlichkeit zunächst dadurch, dass es öffentliche Räume als überaus vielschichtig begreift: diese werden sowohl als Innen- wie als Außenraum vorgestellt, als konkrete behauptet wie auch als mediale und virtuelle, schließlich tritt auch unser »imaginäres Museum« (André Malraux) der Kulturgeschichte hier als vielsagender Teil der öffentlichen, also tendenziell immer auch kollektiven Räume in Erscheinung. Damit steht »Die offene Stadt: Anwendungsmodelle« in seiner ästhetischen Reflexion eben auf der Stufe, die herrschende Strukturen nutzen, um ihre Machtansprüche bisher erfolgreich durchzusetzen. Dem Gegner selbst- und niveaubewußt, also keineswegs kleinlaut in die Augen schauen - genau diese Taktik ist es, die das Projekt von Marius Babias und Florian Waldvogel und die von ihnen präsentierten künstlerischen Positionen emanzipativ zu nutzen versuchen.

Raimar Stange