Polemik

Textauszug

»Kunst zum Niederknien«
»Kunst zum Niederknien« nennt Martin sein Projekt im Untertitel und verspricht so seinem Publikum, es müsse sich hier einmal nicht mit sperrigen Wahrnehmungen und den dazugehörigen befremdlichen Theorien abplagen, die seine Kolleginnen und Kollegen landauf landab anbieten. Wenn schon die zeitgenössische Kunst das Versprechen auf Erleuchtung und Transzendenz nicht mehr einlösen kann, dann müssen eben Altäre her, jene archaischen Kommunikationsmittel zum Jenseits, die die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, nach den Geheimnissen des Seins wieder erfüllen sollen. Genauso wie die Plakate, die das Motto ‘Kunst zum Niederknien’ mit durchgewetzten Hosenbeinen und abgeschürften Knien gleich wieder der Lächerlichkeit preisgeben, bietet Martin allerdings statt Transzendenz nur Talmi. Selten hat eine Ausstellung mit Blick auf Masse und Kasse kulturkritische Errungenschaften so bedenkenlos über Bord geworfen wie die Düsseldorfer »Altäre«.

In peinlicher Weise klammert die Ausstellung die politischen Aspekte des Kolonialismus und seiner Rolle bei der Konstruktion einer hegemonialen Identität des Westens aus. Aber deshalb kommt Jean Hubert Martin das Politische der eigenen, den Kolonisatoren so ähnliche Rolle, gar nicht erst in den Blick. Er merkt überhaupt nicht, wie er Glaubensgemeinschaften dadurch um ihr geistiges Zentrum bringt, daß er Altäre als formal- ästhetisches Phänomen verdinglicht. Bei ihm entsteht kein Gefühl des Mißbrauchs, wenn er die Fundstücke seiner Schaulust in Düsseldorf aufstellt wie weiland Buffalo Bill seine Indianer im Zirkus vorführte. Und schließlich tut er noch so, als könnte die Legitimationslücke geschlossen werden, wenn er einige Priester einfliegen läßt, damit sie ihre Altäre noch einmal weihen und dadurch der Anschein von Gebrauchsfähigkeit entsteht.

Stephan Schmidt-Wulffen