Polemik

Textauszug

»Sehnsucht nach Unmittelbarkeit und die Phantome des Nichts«
Harald Szeemanns Biennale und der deutsche Pavillon von Gregor Schneider

Diesmal ist alles so ähnlich, aber die alte Magie will sich so recht nicht einstellen. Schon der Titel der Veranstaltung:»Plateau der Menschheit« klingt schwerfällig und fast schwülstig im Vergleich zum beinahe burlesken Apertutto. Schwere Sinnsuche und Selbstüberhebung der Kunst zur Deutungsmacht über letzte ethische Wahrheiten kündigt das verbale Hochplateau an, das bei näherer Besichtigung aber doch eher einer Tiefebene mit gelegentlichen schnell gezimmerten Aussichtsplattformen ähnelt. Natürlich gibt es auch diesmal die eine oder andere erfreuliche Position zu sehen, aber über weiteste Strecken überwiegt ein fataler Hang zum Illustrativen und Anekdotischen.

Szeemann steuert wie immer das Elementare, die Fundamente der »conditio humana« an, aber in den künstlerischen Metaphern, die er dafür aufbietet, versteckt sich diesmal zu oft nur ein trivialer, schnell verfliegender Effekt. Das hübsch gedrechselte formale Apercu wird als magisches Mantra verkauft, aber die Üerwältigungsrhetorik des schamanistischen Kunst-Zauberers bleibt diesmal blasse Behauptung. Man erkennt den Talmi-Glanz und wendet sich schnell gelangweilt ab.

Etwas Denkwürdiges aber hat Schneider mit seiner Biennale-Arbeit jetzt schon geschafft: Er hat den deutschen Pavillon auf einen Schlag von der erdrückenden Allmacht seiner Nazi-Architektur befreit, an der sich von Beuys bis Haacke die Großmeister der deutschen Kunst über Jahrzehnte abgearbeitet haben. Sobald man durch eine banale Haustür den grauen, miefigen, kleinbürgerlichen Hausflur betreten hat, ist sowohl die Realität wie auch die Erinnerung an die Pavillon-Architektur ausgelöscht. Die Wirklichkeit verschwindet in einem toten Phantom-Haus. Und übrig bleibt nur: Ein Geruch nach staubigem, abgestandenen Nichts.

Stephan Berg