Interview

Textauszug
Yilmaz DziewiorJ.K.: Sicherlich werden die Museen das Terrain, das sie erobert haben, nicht wieder aufgeben. Welche Konsequenzen haben die Kunstvereine zu ziehen?
Y.D.: Kunstvereine sollten erst einmal klären, wie sie sich von den anderen Institutionen unterscheiden. Das halte ich gar nicht für einen so schlechten Zustand, da man die Parameter der eigenen Institution überprüfen muß und die eigene Arbeit ins Verhältnis zu der der größeren Institutionen setzt. In Hamburg werde ich auch immer wieder gefragt, ob es nicht furchtbar sei, daß die Deichtorhallen und die Kunsthalle jetzt früheres Terrain des Kunstvereins besetzen. Natürlich ist dies nicht ganz unkritisch zu sehen, gleichzeitig bin ich der Meinung, daß Konkurrenz das Geschäft belebt. Denn man darf auch nicht übersehen, daß diese Institutionen ebenfalls zu einer höheren Akzeptanz von zeitgenössischer Kunst beigetragen haben. Ich habe mit Bodys Isek Kingelez, einem afrikanischen Künstler, das Ausstellungsprogramm in Hamburg begonnen. Kurz zuvor hat es in der Kunsthalle eine Ausstellung mit Shirin Neshat gegeben, d.h. die Hamburger waren vertraut mit Fragestellungen der Globalisierung und bereits konfrontiert mit kolonialen bzw. postkolonialen Auswirkungen in der zeitgenössischen Kunst. Sie hatten sich also bereits mit Aspekten vertraut gemacht, die ich mit Kingelez auf einer anderen Ebene zur Diskussion gestellt habe. So ist die Möglichkeit gegeben, daß Diskurse einander ergänzen.
J.K.: Die Deichtorhallen bevorzugen einen programmatischen Spagat, der von Chagall über Kippenberger, Tillmans, Peyton bis zum Mythos Mercedes reicht. Die Kunsthalle hatte bereits vor der Gründung der Galerie der Gegenwart eine starke Präsenz im Bereich Gegenwartskunst. Was halten Sie von der programmatischen Ausrichtung Ihrer Kollegen?
Y.D.: Deichtorhallen und Kunsthalle gehorchen anderen Parametern. Bestimmte Zwänge gibt es zwar auch hier. Ich muß ebenso auf Besucherzahlen schauen, allerdings nicht in dem Maße wie die Deichtorhallen oder die Kunsthalle. Möglicherweise ist es aus ökonomischer Sicht für diese Institutionen notwendig, Kassenschlager zu zeigen und in ihrem Ausstellungstitel Namen wie Monet und Picasso anzuführen. Mit dem Kunstverein besetze ich dagegen ein Terrain, das meiner jetzigen Situation sehr entgegenkommt. Ich kann hier progressive Ausstellungen machen oder Ausstellungen, die eher auf prozessualer Ebene angelegt sind. In diesem Sinne unterscheiden sich die Ausstellungen im Kunstverein frap