Interview

Installationsansicht DAMA Projects mit Galerie Berthold Pott,
Palazzo Saluzzo Paesana, Turin, 2018, Courtesy Johanna von Monkiewitsch
und Berthold Pott

Textauszug

Johanna von Monkiewitsch
Die Poesie der Arbeiten von Johanna von Monkiewitsch erklärt sich
aus einem ähnlich in der Schwebe gehaltenen Spannungsverhältnis
zwischen Bild und Abbild. Immer wieder kommt es zu Situationen,
in denen – entgegen jeder Logik – Illusion und konkreter Gegenstand
in eins zusammenzufallen scheinen. Bei aller Flüchtigkeit liegt in dieser
Erfahrung ein erregendes Moment, das einen spekulativen Raum öffnet.
Das ist das gemeinsame Ziel dieser Arbeiten in ihrer ganzen Bandbreite
der eingesetzten Medien von Fotografie, Projektion, MDF, Beton bis
Stahlblech. Sie können als Wahrnehmungsmodelle betrachtet werden,
deren sinnliche Energie auf immer neue Weise visuell-kognitive Prozesse
in Gang setzt.

Das Setting ist betont pur, auf das Notwendigste reduziert. Johanna
von Monkiewitschs Vorgehensweise erinnert an eine medienkritische
Grundlagenforschung. Dabei geht sie als Bildhauerin vom
Material und dessen räumlichen Qualitäten aus. In der Fotografie ist
es das Papier, das dem belichteten Bild oder dem Fotodruck seinen
Körper liefert. Was passiert, wenn dieser Körper mit dem fotografierten
Motiv zusammenfällt und einfach nur ein gewöhnliches Blatt Papier
abfotografiert wird? Von Monkiewitsch konzentriert sich auf den räumlichen
Faktor der Betrachtung und zieht daraus eine Differenz, die den
heimlichen Gehalt der Fotografie ausmacht. Werden beispielsweise die
»leeren« Papiere stark vergrößert, tritt ihre Struktur deutlich hervor
und lässt die glatte Papierfläche stark haptisch erscheinen, wie schweres
Büttenpapier. Kleine Dellen oder Knicke treten ebenfalls plastisch
hervor, so dass der Eindruck entsteht, die Fotoarbeit selbst sei an diesen
Stellen geknickt oder beschädigt.

Die fotografierten Schatten und Farbverläufe lassen sich von den aus
der realen Raumsituation herrührenden Schatten nicht trennen.
Ein surrealer Moment stellt sich ein, der Eindruck, das zu Sehende
schlichtweg nicht zu erkennen, geschweige denn begrifflich fassen zu
können. Unsere Erfahrungswerte für die Wahrnehmung von Plastizität
und Räumlichkeit werden tüchtig durcheinandergewirbelt. Schauen
wir auf eine flache Fotografie von einem sich plastisch vorwölbenden
Papier, oder schauen wir auf ein plastisches Objekt, das sich tatsächlich
teilweise von der Fläche abhebt? Entscheiden lässt sich diese Frage oft
nur durch einen Wechsel der Perspektive. Aber auch wenn ein Blick
auf die Seitenkanten augenblicklich Gewissheit verschaffen kann, wie
es sich mit den Knicken und Wölbungen »in Wahrheit« verhält, wird
der Wechsel in die frontale Betrachtung den Konflikt zwischen Sehen
und Wissen erneut in Gang setzen.

Licht und Schatten bilden für Johanna von Monkiewitsch die Basis
der bildhauerischen Erkundung. Ganz am Anfang steht eine
Raumzeichnung, in der sie die Umrisse des wandernden Sonnenlichts
in ihrem Atelier festhielt. Schon bei dieser frühen Arbeit fällt die
stupende auratische Ausstrahlung auf, die sich trotz der nüchternen
Rahmenbedingungen einstellt und vermutlich genau mit diesem Talent
zur aus sich selbst verständlichen Geste zu tun hat. Auch in ihren
Projektionen reinigt sie das Medium von jedem zusätzlichen Dekorum.
Es geht nur um Licht, bewegtes Sonnenlicht, es gibt keine Handlung,
keine Abbildung, keine Materie. Das Kunstlicht des Projektors wirft
Sonnenlicht auf eine Fläche, das ist alles.

In solchen Projektionen transportiert von Monkiewitsch eine
Lichtsituation wie bildhauerisches Material von einem Ort an einen
anderen. Beispielsweise das Licht, das durch eines der typischen
Spitzbogenfenster des Palazzo Ducale in Venedig auf eine Wand fällt.
Anlässlich einer Ausstellung wanderte das flüchtige Lichtbild aus
dem Palazzo Ducale in den Eingangsbereich der Ca´ Rezzonico, die
ein Museum beherbergt und sich ebenfalls in Venedig befindet. Da
an solchen Orten, den sogenannten Portegos venezianischer Paläste,
häufig derartige Lichtreflektionen zu beobachten sind, fügte sich diese
Arbeit zunächst perfekt in die Situation ein. Erst die Ausschau nach dem
fehlenden Fenster machte die künstlerische Intervention bewusst. Eine andere Situation entsteht, wenn Lichtreflexe aus Venedig in eine Kölner
Galerie importiert werden. Jeder kennt diese Bilder, deren Entstehung
sich einfachen physikalischen Phänomenen verdankt. Dennoch verändert
der Lichttransfer aus Venedig den Raum und die Stimmung massiv.

In jüngster Zeit ist eine Reihe von Stahlblech-Skulpturen entstanden,
mit denen Johanna von Monkiewitsch dem selbstreferenziellen
Aspekt ihrer Arbeit eine weitere Umdrehung zufügt. Reale Bögen in
schwarz oder weiß lackiertem Blech verbinden sich mit ihrer Schattenform,
die ebenfalls in Stahlblech geschnitten und an die ursprüngliche
Form angeschweißt wurde. Bei der Umrundung klappen Dreidimensionalität
und Zweidimensionalität ständig um – mal scheint der reale
Bogen zweidimensional, dann wieder der flächige Schatten dreidimensional.
Es entstehen wechselnde Illusionen von Räumlichkeit, die
mit der Wirklichkeit in Konkurrenz treten. Die Dichotomie von Bild
und Abbild fällt in sich zusammen; in ihrer harten Konturierung von
Schwarz und Weiß lassen die räumlichen Verkürzungen neue Formen
entstehen, die sich gegenseitig auszuschließen scheinen. Wie bei einer
Möbiusschleife gibt es weder Anfang noch Ende. Wie so oft bei Johanna
von Monkiewitsch sehen wir etwas, was gar nicht da ist und das, was
da ist, wie zum ersten Mal.

Sabine Elsa Müller