Artist Ausgabe Nr. 23
Portraits
Jürgen Paas | Axel Lieber | Wulf Kirschner | Pia Stadtbäumer | Georg Hartung | Gilbert & GeorgeInterview
Wulf HerzogenrathPage
Museum für Moderne Kunst MünchenPortrait
Human von Shitty Naked Human World, 338 x 639 cm, 1994
Textauszug
Gilbert & GeorgeNie zuvor wurde die zentrale Ausstellungshalle des neuen Kunstmuseum in Wolfsburg so eindringlich bespielt. Die monumentalen Bildtafeln des Künstlerduos Gilbert & George attackieren die Augen des Betrachters mit grell plakativen Farben und Formen. Die gigantischen Friese aus Fotomontagen, die in zwei und drei Reihen übereinander an den Wänden umlaufen, überwältigen, mahnen und warnen ihn wie bildliche Darstellungen auf den Glasfenstern einer mittelalterlichen Kathedrale. Sie konfrontieren den Betrachter mit der Nichtwürdigkeit seiner Existenz und dem Elend seiner Ansprüchlichkeit und zwingen ihn zur Auseinandersetzung. Dabei verhandeln die wie mit einer Hand arbeitenden Künstler unsere Sache, indem sie sich selbst zum Thema ihrer Kunst machen.
Gilbert & George arbeiten wie agit prop Künstler und stellen doch stets ihre eigenen Obsessionen aus, in denen sich indes die Traumata eines kollektiven Unbewußten manifestieren.
Ihre Tragödie ist die Tragödie des Menschen allgemein. Dabei orientiert sich die Bildsprache der Künstler an den realistisch eingängigen Strategien von Comic strip und Werbung. Der Wirklichkeitsgehalt der Arbeiten wird durch das Medium der Photographie verstärkt. Kolorierung und Komposition verfremden vor allem die späten Bildtafeln hin zu verrückten Alpträumen. In surrealen Arrangements und symbolischen Bezügen werden die Gespenster sichtbar, die unter der funktionalen Oberfläche der Zivilisation archaische Ängste wachhalten: Lust und Begehren, Sexualität und Sterblichkeit, Rasse und Religion, Mensch und Masse. Sie sind das Konfliktpotential, aus dem die Dämonen und Schrecken kriechen, die den Einzelnen bedrohen. \"Wir fürchten nicht den Tod, wir fürchten das Leben\", bekennen Gilbert & George in einem Interview...
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