Artist Ausgabe Nr. 17 / 18

Portrait

Textauszug

Karin Sander
Daß sich unser Sehen nur selten zu einer tiefen und umfassenden Wahrnehmung der sinnlich erfahrenen Umwelt verfeinert, liegt wohl in der Ökonomie und Effizienz begründet, die unsere Wirklichkeitserfassung insgeheim leiten. Denn ähnlich den anderen Sinnen, dient auch der Augensinn in aller Regel nur einer ersten, freilich elementaren Orientierung, die auf ein schnelles (Wieder-) Erkennen der uns umgebenden Wirklichkeit ausgerichtet ist. Fixiert allein auf dieses Ziel, verliert sich freilich die Neugierde des Blicks, die Aufmerksamkeit des Sehens auch im Bezug auf unsere alltägliche Lebensumwelt, angesichts des Bekannten und Vertrauten, das - so scheint es oft - kaum noch sinnlich erlebt, kaum noch visuell erfahren wird. Wie oft mögen - solchermaßen von Blindheit geschlagen - die Bewohner jener Hinterhäuser im polnischen Lodz die ihnen alltäglich vertrauten Torwege durchschritten haben, ehe Karin Sanders Arbeit ihren schnellen Schritt stoppte, den flüchtigen Blick bannte?...

Christoph Schreier