Portrait

This Is Ornamental, Kunsthalle Wien Karlsplatz, Vienna, Austria 2018, Foto: Jorit Aust, Courtesy of Saâdane Afif und Galerie Mehdi Chouakri, Berlin

Textauszug

Saâdane Afif
International bekannt wurde der in Berlin lebende französische Künstler Saâdane Afif einer breiteren Kunstöffentlichkeit spätestens 2007 dank seiner Teilnahme an der documenta 12 in Kassel. Afif zeigte damals in einem abgedunkelten Saal seine raumfüllende Installation »Black Chords plays Lyrics«, 2007, die aus 13 schwarzen elektrischen Gitarren bestand. Neben jeder Gitarre stand ein mit ihr verkabelter, ebenfalls schwarzer Verstärker. Dieses »Pop-Parlament«, wie es der documenta 12- Kurator Roger M. Buergel treffend nannte, wurde gesteuert von einem Computersystem, das vom Künstler so programmiert war, das immer nur eine E-Gitarre scheinbar (mit) sich selbst spielte. Zu hören waren dann, also gleichsam wie von Geisterhand gespielt, unterschiedliche Chords, die Umsetzungen waren von Songtexten, die diverse Künstlerfreunde auf Anfrage Afifs für diesen geschrieben hatten.

In späteren Arbeiten Afifs tritt seine künstlerische Strategie des prominenten ästhetischen Instrumentalisierens von Rockmusik in den Hintergrund. Mehr und mehr gerät jetzt der Mensch als Individuum in den Fokus des Künstlers, besser: die inszenierte Biographie eines solchen Subjektes, die dabei verwoben wird mit historischen, künstlerischformalen und politischen Fragestellungen. Ein gutes Beispiel für diese Arbeitsweise ist Afifs Ausstellungsprojekt »This Is Ornamental«, das 2018 in der Filiale der Wiener Kunsthalle am geschichtsträchtigen Karlsplatz gezeigt wurde und das zwei Jahre später unter dem Ausstellungstitel »Übertitel: Das Heptaeder« in Afifs Berliner Galerie Mehdi Chouakri von dem Künstler kritisch weiterentwickelt worden ist.

Die Ausstellung »This Is Ornamental« bestand aus zwei Teilen: Aufder rechten Seite des rechteckigen Wiener Ausstellungsraumes wurde der Text von Thomas Clerc in voller Länge auf einem LED-Panel abgespielt. Im linken Teil des Raumes waren auf gelb gestrichenen, extra eingezogenen Holzwänden und gläsernen Schaukästen Dokumente zum Leben von Yasmine d’Quezzan präsentiert, Porträts, Zeitungsseiten etc. Das im Titel angesprochene Ornamentale wird in »This Is Ornamental« inhaltlich nicht angesprochen. Dafür aber wird er ganz konkret formalisiert in der verschlungenen Konstruktion der Ausstellung, in der Text und Objekte sich in immer neuen Konstellationen zeigen und eben nicht in einer eurozentrischen Weise, die durch eine sich logisch und stringent-eindeutig entwickelnde Abfolge charakterisiert ist. Afif kann so Geschichte in einem inszenierten Dialog von »Westen« und »Orient« neu und anitihegemonial lesen und schreiben (lassen). Dieses gelingt ihm nicht zuletzt dadurch, dass er Gilles Deleuze’ Konzept der »minor art« in »This Is Ornamental« künstlerisch umsetzt, Deleuze geht bei seinem Konzept davon aus, dass in Szene gesetzte Marginalien und Verdrängungen herrschende Normen in Frage stellen können. Solch »minor art« gestaltet Afif einerseits, weil Yasmine d’Quezzan, die (populärkulturelle) Hauptfigur seiner Inszenierung, eine längst vergessene und marginalisierte »Nicht-Größe« der Geschichte der französisch-marokkanischen Beziehungen ist. Und andererseits, weil die in »This Is Ornamental« ins Spiel gebrachten formalen (Denk)Figuren der Geometrie und das, nicht nur von dem »Wegbereiter der modernen Architektur« Adolf Loos marginalisierte, Ornament als gleichsam entgegengesetzte Ordnungsprinzipien signifikant für die entgegengesetzte Weltsichten von »Westen« und »Orient« stehen: hier die logozentristische Rationalität, dort eine emotional-ästhetische Kognition.

Raimar Stange