Portrait

Watchtower, 2020,
Foto: Lukas Zerbst

Textauszug

Lukas Zerbst
Zerbsts künstlerische Strategie ist mit den Begriffen Rauminstallation und Raumintervention etikettiert. Diese nicht zuletzt aufgrund ihrer Intermedialität und ihres Dekonstruktionspotenzials wohl wichtigsten zeitgenössischen Kunstformen rufen nach schärferer Begrifflichkeit. Auch das ebenso intensiv wie exzessiv debattierte Raumthema ist in seinen Auffächerungen nur noch schwer zu überblicken und sprachlich zu fassen. Die Position von Zerbst erscheint vor diesem Hintergrund als ein lohnender praktisch-konkreter Anknüpfungspunkt, an dem sich eine Vielzahl von Aspekten des Raums und seiner künstlerischen Durchdringung verhandeln lässt. Vor allem deshalb, weil Zerbsts Arbeit einerseits in hohem Maße durchdacht, konzeptuell fundiert und zugleich in einer direkten sinnlichen, formal-materiell einnehmenden Lösung auftritt.

Zerbsts Arbeiten geht stets eine lange Phase der Ideenfindung und -ausarbeitung in schriftlicher Form voraus. Den sich dabei einstellenden hohen Komplexitätsgrad bricht er bei der Ausführung in unmittelbarer Begegnung mit der Ortsspezifik in eine prägnante und pointierte, immer auch ambivalent bleibende Bildsprache herunter. Hier wirkt ein ausgeprägter Handwerkergeist produktiv auf den klugen, kritischen, begriffsscharfen Denker ein. Bei aller theoretischen Fundiertheit gelingt ihm eine unmittelbare Ansprache. Vermutlich resultiert dies aus seinen künstlerischen Anfängen: Zerbst kommt von der Performance, wirkte an vielen Theaterprojekten mit. Er versteht Kunsträume vermutlich als Bühnen, denkt in Kategorien von Rollen, Akteuren und Kulissen, weiß um die Energie von Räumen mit Publikum, in dem auch Objekte vitale Parts, performativen Ausdruck übernehmen. Nicht zuletzt ist es das Wissen um die Macht der Körper und die Kraft des Körperlichen, die auch seine Aktionen und Raumarbeiten prägen.

In »Space Invader« tritt der Künstler mit seinem Körper in einem Ausstellungsraum auf. Ein invasiver Akt, ein Zutritt zu einer systembehafteten, regelcodierten Kunststätte. Handlung und Prozess an einem Ort, der in der Regel für eine Befüllung mit Objekten gedacht wird. Wie verändern der Künstler, die künstlerische Praxis und die künstlerischen Arbeiten die Architektur? Wie vollzieht sich die Prägung in umgekehrter Richtung? Als Körper im Raum und im Gegensatz zu dem Raum wird sich der Künstler seiner selbst bewusst, so wie jede Raumerfahrung und Begegnung mit dem Anderen eine Selbsterfahrung ist. Später wird das Publikum in den Raum eindringen, in die Privatsphäre und in die Kunstwelt, mit der unerwarteten Ambiguität des Vorgefundenen konfrontiert. Auch ein leerer Raum konstruiert und konstituiert sich aus seiner Lage, aus seinen Grenzen, aus Differenz und Transparenz, aus Formeln und Regeln.

Rainer Beßling