Artist Ausgabe Nr. 95
Portraits
Ulrich Pester | Wolfgang Tillmans | Tomás Saraceno | Eva KotátkováInterview
Gregor JansenPage
Roland SchappertEssay
Thomas WulffenAusstellungen
»Farbe bekennen! Was Kunst macht«Edition
Julia SchmidEssay
Textauszug
»Hochmut kommt vor dem Fall«Tatsächlich müsste man sich als Kurator mehr denn je der eigenen und übernommenen Einschluss- und Ausschlussverfahren bewusst werden. Der Autor hatte das Glück im Rahmen einer für den Herbst geplanten Ausstellung im Haus Konstruktiv in Zürich eine türkische Künstlerin vor Ort in Istanbul im eigenen Atelier zu besuchen. Istanbul liegt, wie bekannt, an der Grenze zwischen Europa und Asien. Tatsächlich erfährt man als Europäer die eigene Identität nicht vor dem eigenen Hintergrund, sondern vor dem fremden. Aber die Bildwerke von Ebru Uygun erscheinen auf den ersten Blick gar nicht so fremd. Doch der zweite Blick lehrt einen etwas anderes und sei es das Gefühl für das Detail und eine Art Schriftlichkeit, die wir Mitteleuropäer vollkommen verloren haben. Und im Rundgang durch Einkaufspassagen entdeckt der neugierige Blick eine Übersetzung von Prousts’ »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Wir gehen davon aus, dass es sich um eine Neuübersetzung handelt. Wo finden wir die Differenz zu uns selbst hier vor Ort. Allein diese Differenz ist jedes Wort wert, das sie bewahrt.
Eine derartige Kunstkritik aber schneidet sich ins eigene Fleisch. Das ist keine Kritik mehr, sondern eine Ökonomie der Kritik. Die Macht der Kritik ist nur noch ein sanftes Säuseln. Aber gilt das nicht für das ganze Feuilleton? Vielleicht sollte man die Fronten wechseln. Mit Stolz und Freude erinnert sich der Autor noch an die Zeiten als Kurator, als der Text sozusagen zur Ausstellung wurde. Und die Argumentation sich tatsächlich am konkreten Objekt entwickelte und deren Grund der Anwesenheit. Aber die Beziehung zum Betriebssystem Kunst müssen wohl neue Fundamente entwickeln, die sich vielleicht auch außerhalb des Systems finden lassen. Fangen wir einfach von vorne an ...