Artist Ausgabe Nr. 44

Portrait

Textauszug

Nicola Torke
Die drei Teppiche \"Transit I-III\" thematisieren die Beziehungen der Künstlerin zu den drei Männern in ihrer Familie, Großvater, Vater und Bruder, und damit automatisch ihre eigene \"Rolle\" als Enkelin, Tochter, Schwester. Auch familiäre Beziehungen sind Möbiusbänder. Die auf den Teppichen wiedergegebenen Motive machen nicht nur Familien-, sondern auch Mediengeschichte sichtbar. Ein orientalischer Teppich, der innerhalb des Großvater-Teppichs erscheint, oder die im Computerzeitalter längst historischen, scharfkantigen Metallklischees, die der Vater als Werbegrafiker verwendet, spiegeln den Wandel von Hand- zu automatisierter Arbeit, von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Gleichzeitig weckt Nicola Torke kunsthistorische \"Erinnerungen\", etwa an Collagetechniken der klassischen Moderne. Indem sie die Teppiche am Computer entworfen und auf Basis der Dateien hat als Teppiche weben lassen, vollzieht sie gleichsam einen medientechnischen Rückweg, der auch die anschauliche Konkretisierung sprachlicher Metaphern mit sich bringt, so wie die Bildzeilen auf dem Monitor sich in die Fäden der Teppiche zu verwandeln scheinen. Für jede Farbe, die an einer Stelle auftaucht, muß ein Faden quer durch den Teppich laufen. Es dauerte lange, bis die Künstlerin eine Gobelinmanufaktur fand, welche die erforderliche Feinstruktur webtechnisch realisieren konnte...

Ludwig Seyfarth