Artist Ausgabe Nr. 36

Portrait

Textauszug

Tony Oursler
... Tony Ourslers "Dummies" sind gesprächig. Sie lachen, fluchen, fordern. Diese eloquenten, multiplen Persönlichkeiten aus Licht und Lumpen durchleben so in ihren performanceartigen Auftritten exemplarisch unterschiedlichste Seelenzustände. Ihre kleinen Stimmen scheppern dabei aus handlichen Videoprojektoren, die auf die meist weißen Köpfe menschliche Gesichter werfen. Der Rest ihrer Gestalt ist nur eine plumpe Andeutung aus Kleidungsstücken oder Holz und erinnert lediglich an menschliche Körper. Trotzdem haben die Figuren eine eigentümliche Präsenz, ziehen ihre Betrachter magisch in den Bann und wirken dabei merkwürdig durchtrieben, dämonisch fast. Gleichzeitig aber sind die \"Dummies\" nicht Herr ihrer Situation: Bewegungsunfähig klemmen sie unter einer Matratze oder drohen sogar von häuslichen Einrichtungsgegenständen wie geblümten Sofas oder gleich mehreren Stühlen erdrückt zu werden. Unklar bleibt, ob die "Dummies" den Schutz der Objekte suchen oder Opfer dieser wie eingefroren wirkenden Szenarien eines alltäglichen Wahnsinns sind. Ihr Handlungsspielraum beschränkt sich daher auf Stimme und Mimik, die psychische Zustände wie Angst, Haß oder Sehnsucht verkörpern...

Heike Helfert