Artist Ausgabe Nr. 106
Portraits
Oliver Ressler | Michael E. Smith | Christiane Gruber | Joan Mitchell | Timur Si-QinPortrait
Too Big to Fail, Wandtext, 2011, Installationsansicht: Kunstraum Niederösterreich, Wien, 2011
Textauszug
Oliver Ressler»Too big to fail« stand da 2011, also zur Zeit der sogenannten internationalen »Finanzkrisen« an einer Wand im Wiener Kunstraum Niederösterreich zu lesen, in Meter hohen Lettern, diese ausgeschnitten aus dem wandfüllenden Photo einer politischen Demonstration. Die so im white cube im Rahmen der Themenausstellung „NachDemokratie“ vorgestellte Formulierung bezeichnet in der Finanz- und Politikwelt die vermeintliche Notwendigkeit, Geldinstitute einer bestimmten Größenordnung koste-es-was-wolle vor dem Bankrott zu retten, da ansonsten die Existenz des neoliberalen Systems selbst bedroht sei. Gegen solche »staatstragende« Dogmen nun, die letztlich immer nur einer durch sie an der Macht gehaltenen Elite nützen, begehren die hier abgelichteten Menschen (und Steuerzahler) unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Krise« auf. These und Antithese also stehen sich in »too big to fail«, 2011, gegenüber, ein im besten Sinne dialektisches Denkbild hat der in Wien lebende Künstler, Filmemacher und Aktivist Oliver Ressler hier installiert. Oder lässt die selbstbewusste Behauptung sich nicht auch auf das Schicksal der Bürgerproteste gegen die Finanzjongleure großer Banken lesen: zu groß um letztlich nicht erfolgreich zu sein?
In seinem 18 Minuten langen Film »Leave it in the ground«, 2013, thematisiert Ressler die globalen Folgen der Klimakatastrophe. Ausgangspunkt hierfür ist die anvisierte Ölforderung im Meer rund um die norwegische Inselgruppe der Lofoten. Es handelt sich hier um eines der weltweit größten Lebens- und Laichareale von Fischen und Meerestieren. Die Konsequenzen der nun anstehenden Tiefseebohrungen und anschließenden Ölförderung auf diese Populationen sind unabsehbar, in der Vergangenheit aber hat sich gezeigt, dass eine hochgradige Gefährdung für deren Überleben vorliegt. Der Film beginnt wie ein Natur- oder (touristischer) Landschaftsfilm über die Lafoten, romantische Bilder von Meer und Inseln flimmern über die Leinwand, dazu erklingt eine samtene männliche Stimme, die im seriösen Tonfall von den Vorzügen des Lebens hier schwärmt. Dann aber erzählt der Mann von der geplanten Ölförderung, die Szenerie verdunkelt sich zunehmend. Nun nämlich ist plötzlich von möglichen Umweltkatastrophen die Rede, von Ölpesten, Artensterben ….
»Leave it in the ground« ist ein bemerkenswertes Hybrid: Der Film funktioniert im politisch orientierten Kunstbetrieb ebenso wie im Zelt einer Antiglobalisierungsversammlung, er ist ein artistisches Experiment im Sinne von Trevor Paglen z. B., das irgendwo zwischen sachlichem Dokumentarfilm und theatralischer Inszenierung angesiedelt ist, und die Arbeit ist zugleich ein politisch-motivierender, parteiischer Agitationsfilm, der zwischen rationaler Aufklärung und emotionaler Ansprache changiert. Gut und hoffentlich NOTwendig so!
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