Artist Ausgabe Nr. 108
Portraits
Sebastian Dannenberg | Achim Riethmann Anja Schrey Lea v. Wintzingerode Ulrich Wulff | Taiyo Onorato & Nico Krebs | Andreas SlominskiPortrait
Meet me after Sunset, 2016, Lack auf Wand, Gipskarton, Trockenbauprofile, Lichtleisten, Kabel, Bremer Förderpreis, Städtische Galerie Bremen
Textauszug
Sebastian DannenbergEin Vordach überspannt ein graues Monochrom. Die Malerei ist luftig nahezu lapidar auf die Wand gebracht und markiert deren Oberflächenstruktur. Neben und über dem grauen liegt ein kleineres petrolfarbenes Feld, das zusammen mit zwei Leuchtstoffröhren ein Lichtrelief bildet. Das Licht erzeugt einen Schattenwurf, der das Monochrom schneidet. Brechen schon die malerische Geste mit unregelmäßigen Auftragsspuren und der kunstferne Lack im Lieblingskolorit von Architekten die Abgeschlossenheit des Farbfelds, holt auch die Lichtzeichnung den Realraum in die Malerei hinein. Das Vordach ist mit Fahrradschlauch und Spanngurt an einer Säule fixiert. Die handgemacht umvollkommene Verbindung der beiden Bauelemente erweitert die plastische Flankierung der Malerei und eröffnet eine Raumsituation, in die sich der Betrachter verwickelt findet. Abhängig von dessen Standort schreibt sich auch der Schatten der Säule in die Farbfläche ein. Für diese Arbeit erhielt Sebastian Dannenberg den Bremer Förderpreis für Bildende Kunst 2015.
Trotz Raumgriffs und skulpturalen Begleitschutzes: In der Malerei kommt die Arbeit Sebastian Dannenbergs zusammen, in der Malerei kulminiert das Werk. Grundbedingung für alle seine Arbeiten ist die Malerei. Die skulpturalen Elemente stehen im Dienst der Farbfläche, die ihrerseits den Raum neu erleben lässt. Es geht weder um eine nach innen gerichtete Selbstbeobachtung der Malereibedingungen noch darum den Raum und Ort durch skulpturale Malerei so zu besetzen, dass es zu einer vollständigen Transformation von Bedeutung und Funktion kommt. Vielmehr geht es um eine Differenzierung und wechselseitige Dynamisierung der Bildräume und Raumbilder.
Dannenbergs Werke betonen den Rang der Malerei als unverzichtbares Medium in der formenden Erkundung und Aneignung von Welt. Der Künstler bekennt seinen größten Respekt vor dem Moment des Farbauftrags. Seine malerischen Eingriffe sind eine demonstrativ formende, individuelle, gestaltende, poetische Geste, authentisch und körperlich – und stellen dennoch keine weihevolle Überhöhung des künstlerischen Akts dar. Die Verflüssigung des statischen Bildes und die malerische Setzung als individuelle Geste werden transparent gemacht in einer beiläufigen Markierung des Bildformats, die Spiel lässt. Der Künstler lässt sich die Autonomie der Malerei nicht nehmen, schafft mit der Auffächerung der Bildelemente aber ein elastisches Dispositiv, in dem sich begriffliche Zuschreibungen, soziale Interaktionen und ordnende Gestaltungen entfalten können, in der Erfassung und Beschreibung von Lebenswelt möglich werden.
Sebastian Dannenberg knüpft mit seiner Position an die Entwicklungslogik der Malerei an, befragt spielerisch kritisch ihre Autonomiebehauptung und verschneidet das hehre Klausurpostulat des White Cube mit Realräumlichkeit und Lebenswirklichkeit. Dabei greift er nicht zum historischen Instrumentarium der Medien- und Institutionenkritik, sondern wirft post-ideologisch mit leichter Hand und launiger Gestik, gleichwohl formal präzise und pointiert die Frage nach dem Platz und Ort und Raum der Kunst auf und wie sich der Betrachter situativ für die Konstruktion des ästhetischen Raumes als Modell einer befreiten und beförderten Wahrnehmungskompetenz im sozialen Raum aktivieren lässt.
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