Artist Ausgabe Nr. 72
Portraits
Oliver van den Berg | Josephine Meckseper | Yves NetzhammerInterview
Julian HeynenPage
Andreas SchimanskiPolemik
Stephan BergKünstlerbeilage
Rüdiger StankoEdition
Oliver van den BergAusstellung
Judith Walgenbach, Forschertisch, 2000-2007, Foto: Joachim Fliegner, © VG BILD-KUNST, Bonn 2007, Ausstellung »Say it isn't so«,
Textauszug
»Say it isn't so«Die Exponate greifen eine vertraute Skepsis gegenüber den Naturwissenschaften auf. Der kritische Blick der Kunst auf die Naturwissenschaften hat Tradition. Anlässe zur Sorge gab und gibt es tatsächlich genug. Einerseits beeindruckt der Zuwachs an Wissen. Letzte Geheimnisse werden gelüftet. Zugleich drohen die Naturwissenschaften aber mit der Zunahme ihrer Analysemöglichkeiten vollends außer Kontrolle zu geraten. Eine Wissensmenge, die neue Fragen generiert, eine bis zum Eigenleben perfektionierte Untersuchungs- technologie, weitere Spezialisierung in einer hochgradig arbeitsteiligen Wissens- und Informationsgesellschaft scheinen Forscher und Anwender, Publikum und vermeintliche Nutznießer, Patienten und Kunden, zu überfordern und einander zu entfremden.
Die Ausstellung, das macht die Beschreibung der ausgewählten Arbeiten deutlich, legt ihr Bild vom Blick der Kunst auf die Naturwissenschaft nicht nur breit an. Sie beansprucht auch, ein neues Verhältnis zwischen den beiden Disziplinen anschaulich zu machen. Nicht so sehr was Kunst und Naturwissenschaften trennt, mehr was beide verbindet, ist hier das Thema. Die Kuratoren Peter Friese, Susanne Witzgall und Guido Boulboullé haben ein wachsendes Interesse von Künstlern an der naturwissenschaftlichen Praxis mit weitreichenden Folgen für die eigene Disziplin entdeckt. Künstler finden bei den Naturwissenschaften Instrumente, mit denen sie auf neuem Weg Erfahrungen und Ergebnisse zu veränderten Themen einfahren. Zugleich arbeiten sie sich in Denkformen, Vorgehensweisen, Darstellungs- und Vermitt- lungsmethoden der Naturwissenschaftler ein, um sie auf eine sachgerechte und zugleich mit ästhetischer Distanz begründete Reflexionsstufe zu heben.
Und eine andere vertraute Frage wirft die Ausstellung auf: Ist die ästhetische Erfahrung der rationalen Erkenntnis überlegen? Mit den Versuchsanordnungen, mit einer Kunst als Experimentalsystem wird der Betrachter zum teilnehmenden Beobachter, wird die Distanz der ästhetischen Erfahrung vor einem Bild aufgehoben und die von dem Künstler für den Betrachter vorgenommene Sublimierung ausgesetzt. »Say it isn't so« führt dies praktisch vor: Sie provoziert Erkenntnishunger und die Neugier auf Erfahrungen. Darin unterscheidet sie sich von naturkundlichen Museumskonzepten, die apparativ zum experimentellen Erwerb ausgestellten Natur- und Technikwissens animieren. Bedeutung anstelle von Wissen konstruieren, ästhetisch genießen, das heißt Idee und Gestaltfindung kurzschließen und dabei verstehen lernen oder stehen lassen. (Die Ausstellung »Say it isn't so« wird von der Bremer Landesbank im Rahmen »Kontakte zur Kunst« gesponsert)