Essay

Textauszug

»Populismus in der Kunst?«
In der Politik wird angesichts des rechten Populismus zunehmend die Notwendigkeit eines linken Populismus diskutiert. Ist also auch für das Kunstsystem jetzt ein linker Populismus vonnöten? Diese Diskussion ist nur sinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass Populismus nicht per se verwerflich ist, genau dieses aber ist in den ach so kultivierten Kunstkreisen oftmals umstritten. Darum sei zunächst ein hoffentlich erhellender Blick auf den poppigen Populismus geworfen. Nehmen wir etwa Sheldon Cooper, den Supernerd aus der überaus erfolgreichen US-amerikanischen TV-Serie »Bing Bang Theory«. Sheldon Cooper ist als Computernerd das Musterbeispiel für eine arrogante Elite, die überaus unbeliebt ist. Sympathisch wird er in der TV-Serie erst dann, wenn er Fehler macht, Gefühle zeigt, sich ausnahmsweise mal mit vollem Herzen engagiert, gar verliebt – also »menschliche Züge« zeigt. Oder nehmen wir einen der derzeit wohl noch populärsten aktiven deutschen Fußballprofis »Basti« Schweinsteiger: Der Kosename zeigt an, dass positive Popularität eben immer auch etwas mit liebevoller Intimität zu tun hat, besonders bei einem »Kämpfertyp«.

Der niederländische Schriftsteller Joost Zwagerman beschrieb in seiner Novelle »Duell«(2010) die »Entführung« eines wertvollen Gemäldes von Mark Rothko aus einem Amsterdamer Museum. Die fiktive Konzeptkünstlerin Emma Duiker beschreibt in der spannenden Schrift die Beweggründe für ihre Entführung folgendermaßen: »Indem man die Kunst aus dem Würgegriff der Museen befreit, bekommt sie von ganz allein wieder eine menschliche Dimension«. Diese Dimension nämlich ginge verloren wenn man »wie halbe Sklaven in die Museen getrieben wird, um dort brav die Meisterwerke zu betrachten«. Eben das, so argumentiert Emma Duiker durchaus nicht ganz falsch, »sei widerlich autoritär und feudal«. Stattdessen zeigt Emma Duiker den Rothko dann an Orten, die keine hehren, quasi arroganten Kunsttempel sind. Stattdessen ist er dann in einer Schule, einem Jugendgefängnis, einer kleinen Bibliothek zu sehen. Duikers missionarischer Eifer zielt vor allem in eine Richtung »Die Kunst den Menschen wiederzugeben«, den Menschen, die nicht zur bildungsbürgerlichen Elite zählen, die nicht zu den »Geldschefflern, Statusgeilen und Snobs, die sich als Sammler bezeichnen« gehören. Genau dieses Programm öffnet die Kunst hin zu einem Populismus, der sich zunächst auf die Präsentation von Kunst konzentriert.

Raimar Stange