Artist Ausgabe Nr. 30

Portraits

Manfred Pernice | Katharina Grosse | Andreas M. Kaufmann | Friedhelm Falke | Full House | Alex Hanimann

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Nanne Meyer

Ausstellungen

»Full House«

Künstlerbeilage

SUSI POP

Edition

Friedhelm Falke

Polemik

Textauszug

»Pittoreskes Elend, privat und Öffentlich«
Wenn man gefragt würde, was wohl die Signatur der Kunst der neunziger Jahre ist, würden einem zwei Dinge einfallen... : zum einen eine Art von Interaktionismus, der die Modalitäten des Ausstellungsbetriebes thematisiert, indem er "Räume besetzt" und gewissermaßen neopädagogisch die Ausstellungsbesucher in Installationen einbezieht, die sich ostentativ als "gar nicht wie Kunst" präsentieren, zum anderen eine Art von Hochpreisung des Privaten, die uns den Eindruck nahebringt, dass das unaufgeräumte Zimmer von Phil, der ejakulierende Penis von Hermann und die entstellenden Narben von Luzie die Dinge sind, die wirklich wichtig sind.
Erkennt jemand die Dialektik? Auf beiden Beinen hinkend macht sich der Kunstbetrieb als Hofnarr des fortgeschrittenen Kapitalismus auf, Kategorien vob Öffentlichkeit in Frage zu stellen, indem er in öffentlichen Räumen den privaten Käse vorführt, der vielleicht das Leben ausmacht, der uns aber gerade deswegen sowieso schon pausenlos belästigt. Ich für mein Teil jedenfalls fühle mich weder dazu veranlaßt, die alltäglichen Mühen des Teekochens auch noch im Museum zu reproduzieren, pseudoprivate Appartements probehalber zu bewohnen oder es interessant zu finden, dass ein Freund des Photographen sogar im Fluzgeug masturbiert. Wozu auch? Die Semantik dieser Re-Importe von sterbenslangweiligen Alltagsgeschichten wird doch im wirklichen Leben viel radikaler formuliert: Wenn ich im Supermarkt meinen Einkaufswagen gegen interaktiven Einwurf von Geldstücken von der hintersten Ecke des Parkplatzes holen darf oder wenn ich in allfälligen Talkshows zugemutet bekomme, wie sadomasochistische Klempner oder heroinfixender Schäferhunde inr vermeintes Inneres zur Äußerung bringen...

Harald Welzer