Artist Ausgabe Nr. 30

Portraits

Manfred Pernice | Katharina Grosse | Andreas M. Kaufmann | Friedhelm Falke | Full House | Alex Hanimann

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Nanne Meyer

Ausstellungen

»Full House«

Künstlerbeilage

SUSI POP

Edition

Friedhelm Falke

Interview

Tim Neuger und Burkhard Riemschneider, Foto: Albrecht Fuchs

Textauszug

neugerriemschneider
J. K.: Sie haben Ihre Galerie im Mai 1994 in Berlin eröffnet. Wie verlief Ihr Weg zur Kunst?

B.R.: Ich studierte in Köln Kunstgeschichte, arbeitete als Assistent in einer Galerie und bin als Lektor im Taschen Verlag tätig. Tim Neuger und ich kennen uns schon sehr lange. Wir haben uns bereits mit Kunst und Künstlern auseinandergesetzt, bevor wir überhaupt die Idee hatten, eine Galerie zu ründen.

T.N.: Bereits mit 15 Jahren nutzte ich jede Gelegenheit, um mir in Stuttgart und München Ausstellungen anzuschauen. Zu dieser Zeit lebte ich auf der Schwäbischen Alb, verrichtete anschließend in Stuttgart Zivildienst, daneben war ich als Assistent in einer Galerie tätig. Bevor ich nach Berlin kam, lebte ich jeweils ein Jahr in Köln, Los Angeles und New York. Vor der Galeriegründung war ich als Kurator tätig und habe in Ausstellungen bis dato noch unbekanntere Künstler von der Ost- und Westküste gezeigt. In Los Angeles interessierte mich Paul McCarthy, den in Deutschland damals kaum einer kannte. Unser Programm für das gesamte erste Jahr stand schon sechs Monate vor Eröffnung der Galerie fest. Auf unseren Reisen entstanden viele Kontakte. Einige Künstler, die wir heute ausstellen, lernten wir bereits damals kennen. Auch vermittelten wir vor der Galeriegründung zum Beispiel Rirkrit Tiravanija und Jorge Pardo in absolut trendweisende Ausstellungen wie »backstage« von Stephan Schmidt-Wulffen und Barbara Steiner...


J.K.: In welcher Weise definieren Sie Ihren Kunstbegriff; mehr formal oder inhaltlich, mehr gesellschaftlich bezogen oder selbstreferentiell?

B.R.: Kunst ist erst einmal ein visuelles Ereignis. Ansonsten schreibt man. In diese Richtung zielt meine Kritik gegenüber der Kontextkunst. Mir ist nicht klar, warum sich einige dieser Künstler überhaupt noch im Betriebssystem Kunst äußern. Ich habe nichts gegen Diskursivität. Allerdings hat sich die Kunst über das Medium Visualität erst einmal zu behaupten. Jegliche Form von lnhaltlichkeit und Diskursivität sollte sich diesem visuellen Erlebnis unterordnen. Nur auf diese Weise kann sich ein tragfähiger bildkünstlerischer Diskurs entwickeln.

T.N.: Was Peter Weibel mit der Kontextkunst gemeint hat, war eine Reaktion auf die 80er Jahre mit ihren shining glories, den Yuppies und den hohen Gewinnmargen. Eine Zeit, in der alles sehr slick und schön war. Die Kontextkunst der 90er Jahre kann als eine Art Gegenbewegung zu dieser Zeit gedeutet werden. Alles mußte nun spröde werden...

J.K..: Sie arbeiten als Duo. Praktizieren Sie eine Art Arbeitsteilung, der eine bedient das Handy, der andere führt die Gespräche vor Ort, der eine betreut die Künstler, der andere die Sammler?

B.R.: Das Verhältnis untereinander ist ein dynamisches. Es gibt Künstler, mit denen der eine mehr zusammenarbeitet als der andere. Genauso gilt das für Sammler und Museumsleute. Der Vorteil einer Partnerschaft liegt darin, daß man permanent im Dialog miteinander ist, der sich auf alle Beteiligten überträgt...

J.K.: Wird Berlin künftig auch Kunsthauptstadt werden?

B.R.: Berlin ist vergleichbar mit London vor drei bis vier Jahren. Auch gibt es hier immer mehr eine ganz neue Offenheit der Kunst gegenüber. Eine Neugierde ist vorhanden, die sich durch verschiedene Altersstufen zieht. Man spürt die Aufbruchstimmung. Berlin ist vom Spirit, den die Stadt hat, eine Art Sprungbrett ins 21. Jahrhundert der Kunstvermittlung. In Berlin entsteht derzeit so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl. Der Standort Köln ist im wesentlichen historisch geprägt und gebunden an Persönlichkeiten wie Zwirner, Maenz und Hetzler. Fast zwangsläufig suchen sich neue Positionen einen neuen Ort. Ohnehin ist Berlin die einzige Metropole, die wir in Deutschland haben. Hier haben wir das Gefühl, mit unserer Kunst zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.

Joachim Kreibohm