Artist Ausgabe Nr. 91

Portraits

Jan Peter Hammer | Yuji Takeoka | Joachim Grommek | John Smith | Yael Bartana

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Knut Eckstein

Edition

Joachim Grommek

Polemik

Textauszug

»Die 7. Berlin Biennale – Contrea«
Aber werden da nicht spezielle Rezeptionsformen mit den Inhalten verwechselt? Mag ein Wochenende die Priorität bei Preislisten und Champagner liegen, in Berlin gibt es danach allemal mehr politisch relevante Kunst außerhalb dieser Biennale. Woher deren Furor, die Kunst abzuschaffen? Die jetzige Forderung Artur Zmijewskis, Kunst müsse unmittelbar politisch sein, ist mindestens dreifach falsch: Von der Kunst »reale Taten in einer realen Welt« zu verlangen, ist ein grundsätzliches, potentiell mörderisches Missverständnis. Kein Medium kann und darf unmittelbar sein – sonst müssten am Ende einer Tragödie (oder einer Zeitungskampagne) die Toten weggefahren werden. Von Schiller bis Santiago Sierra gibt es wichtige politische Kunst. Aber sie muss in einem Freiraum agieren, damit sie Sinne und Verstand beeindrucken und dann über veränderte Haltungen wirksam werden kann. Gerade das Beharren auf der Autonomie der Kunst ermöglicht es, Dissens zum Ausdruck zu bringen und zu erzeugen. Zweitens ist es nicht mehr als ein Trick, von außen die geltenden Ordnungen eines Systems zur Gänze in Frage zu stellen. Das aber sollte eine kreative Reaktion bewirken, nicht aber das befragte System abschaffen. Drittens wird die Kraft des hier angegriffenen Systems unterschätzt. Schon ein Ausstellungshaus, insbesondere aber eine Biennale ist eine Institution, die auch dann Objekte zu Zeichen und Handlungen zu Symbolen macht, wenn dies ausdrücklich von den Akteuren nicht gewollt wird. Die Occupy-Gruppierungen, der erzreligiöse Bildhauer, Briefmarken und Passtempel Palästinas, die Befreiungs- bzw. Terrororganisationen, die Zeichnungen gegen die weißrussische Diktatur, selbst die Birkenkeimlinge aus Auschwitz werden in den KW Institute for Contemporary Art als bekanntem Ausstellungsort durch den Kontext zwangsläufig umgedeutet. Und das ist auch gut so. Denn jede aufklärerische Kraft von Kunst liegt in der Erzeugung von Differenz und nicht in der Erzeugung von Identität in der Aktion. Wer die zu sehr schätzt, und allzu sehr in die Bombe ins Café verliebt ist, wie einst unter den Künstlern die Futuristen und seitdem zahlreiche andere -isten, kommt in den Bannkreis totalitärer Menschenverachtung. Wer das alles aber weiß, und trotzdem anderes behauptet, ist bloß zynisch.

Hajo Schiff