Artist Ausgabe Nr. 75
Portraits
Karin Sander | Pawel Althamer | René Lück | Tilo Schulz | Elmar ZimmermannInterview
Stephan Berg, Intendant, Kunstmuseum Bonn, Foto: Dirk Meußling
Textauszug
Stephan BergJ.K.: Wie sollen Museen sammeln: entlang der Kunstgeschichte, nach Künstlerpersönlichkeiten, nach Räumen. Was ist sinnvoll und was ist heute noch machbar, hast Du den Mut zur Lücke?
S.B.: Ohne den Mut zur Lücke lässt sich heute, auch vor dem Hintergrund der geringen Ankaufsetats, keine Sammlungspolitik mehr denken. Entscheidend ist, wo man die Lücken zulässt. Ich halte es in diesem Zusammenhang für wesentlich erstrebenswerter, bestimmte künstlerische Positionen in systematischer Breite zu sammeln, als ein möglichst breites Feld durch lauter solitäre Stücke abdecken zu wollen. Vertiefung ist auch hier allemal besser als der ohnehin vermessene Anspruch eines Gesamtpanoramas. Als Haus für Kunst nach 1945, wie es Bonn darstellt, kann es dabei nicht mehr in erster Linie darum gehen, entlang der Kunstgeschichte zu sammeln, schlicht weil sich die Kunstgeschichte, je weiter wir in die Gegenwart voranschreiten, immer mehr auflöst, und zu Kunstgeschichten zerfällt, die ihrerseits am ehesten in herausragenden Künstler- persönlichkeiten fassbar werden.
J.K.: Sammler sind zu den heimlichen Stars des Kunstbetriebs avanciert. Sammler lassen sich als Mäzene von der Politik hofieren, sind aber primär an Wertzuwachs interessiert, benutzen die Museen als Durchlauferhitzer und Zwischenlager für den Markt, ziehen über Nacht ihre Leihgaben ab und dergleichen mehr. Sammler wie Grothe, Bock, Flick, Bastian, Marx, Lauffs und Ströher sind ins Gerede gekommen. Allerdings hat die Vehemenz der Sammler- schelte in den Medien nachgelassen. Haben die Museen dazu gelernt, indem sie mehr Rückgrat zeigen und selbstbewusster auftreten?
S.B.: Um es ganz deutlich zu sagen: Museen dürfen keine willfährigen Sparringspartner für potente Großsammler sein, welche die Häuser in erster Linie als wertsteigernde Parklücke für ihre Konvolute betrachten. Das Selbstbewusstsein der Häuser aber auch das der Politik muss groß genug sein, um sich hier nicht in eine Situation der Erpressbarkeit zu begeben, nur weil eine Sammlung vermeintlich medialen Glanz und hohe Einschaltquoten verspricht. Dies sind zudem meist Erwartungen, die sich angesichts der verwechselbaren - weil über identische Kunstmarktkanäle entstandenen - Ähnlichkeit vieler Großsammlungen relativ schnell in Luft auflösen. Andererseits muss ebenso deutlich gesagt werden: Das Gros der Sammler unterscheidet sich deutlich von den wenigen Egomanen, die Sammlungen in erster Linie benutzen, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Mit all diesen anderen, den Überzeugungstätern, den Leidenschaftlichen und Sehnsüchtigen lassen sich dagegen tragfähige, inhaltlich motivierte Absprachen treffen, die im besten Sinne beiden Seiten nützen, also der Privatsammlung Sichtbarkeit verschaffen, und es dem Museum ermöglichen, das Sammlungs- profil zu erweitern und zu komplettieren. Vielleicht hat ja die nachlassende Sammlerschelte auch damit zu tun, dass wir allmählich erkennen, dass die Mehrzahl der Sammler sehr verantwortlich mit den eigenen Beständen umgeht.