vergriffen
Artist Ausgabe Nr. 58
Portraits
Markus Huemer | Yayoi Kusama | Corinna Schnitt | Zilla Leutenegger | Katja StrunzInterview
Ute Meta BauerPage
Achim Bertenburg | Andree Korpys | Markus LöfflerPolemik
Hans-Jürgen HafnerAusstellungen
»Adorno«Künstlerbeilage
Brigitte WaldachEdition
Axel LieberInterview
Ute Meta Bauer, Künstlerische Leiterin, 3. berlin biennale
Textauszug
Ute Meta BauerJ.K.: »Man spürt die Aufbruchstimmung, Berlin ist vom Spirit, den die Stadt hat, eine Art Sprungbrett ins 21. Jahrhundert...Ohnehin ist Berlin die einzige Metropole, die wir in Deutschland haben...«, betonen neugerriemschneider (artist Nr. 30/1997). »Zur Zeit passieren Dinge in dieser Stadt, die man in zehn Jahren nicht mehr wiedererlebt und nicht erleben wird...«, heben Esther Schipper/Michael Krome hervor (artist 34/1998). Alexander Schröder und Thilo Wermke von der Galerie Neu beurteilen die Situation nicht mehr so euphorisch: »Natürlich ist viel Glanz zu sehen, viel Oberfläche, mehr Schein als Sein. Allerdings hat diese Show auch immer Berlin ausgemacht« (artist 46/2001). Ist Berlin noch diese brodelnde Stadt, wie sie gern von sich behauptet?
U.M.B.: In Berlin ist der Alltag längst ein-gekehrt. Die Stadt ist unaufgeregt, selten habe ich hier einen Stau erlebt, außer bei der Loveparade und beim Weltkirchentag. Zum einen hat für mich Berlin einen fast dörflichen Charakter, zum anderen ist Berlin nach wie vor ein besonderer Standort mit einer spezifischen und aufgeladenen Geschichte. Leider wurden viele der Versprechen aus dem Nachwende- Hype nicht eingelöst. Von daher ist eine gewisse Desillusionierung eingetreten und für mich ist es im Moment wichtig, dieser Depression keinen Raum zu lassen, denn ich halte Berlin für sehr lebenswert.
J.K.: Sie haben rund 50 Künstlerinnen und Künstler eingeladen, deren Arbeiten an drei Orten (KW Institute for Contemporary Art, Martin-Gropius-Bau, Kino Arsenal) präsentiert werden. Nach den Pressemit-teilungen bilden die strukturellen Verände-rungen, welche Berlin nach der Wieder-vereinigung Deutschlands und 15 Jahre nach dem Fall der Mauer erfahren hat, den Referenzrahmen für die 3. biennale. Erläutern Sie einmal Ihr Konzept.
U.M.B.: Berlin ist eine Stadt, die in den letzten 100 Jahren massive geschichtliche Veränderungen durchlaufen hat und insofern ist diese Stadt stets präsent bei allem, was man tut. Diese spezifische Topografie bildet den Referenzrahmen für die biennale. Wie sieht man Arbeiten, die früher entstanden sind, jetzt 15 Jahre nach dem Fall der Mauer? Wie ist das Verhältnis von Kunst und Politik hier und heute in dieser veränderten Situation, wie wirkt sich diese Situation heute in der Kunstproduktion der Stadt aus und wie verhält sich Berlin bei Fragestellungen als eine ehemals geteilte Stadt? Das ist für mich der Hintergrund, vor dem die Arbeiten letztendlich auch gelesen werden. Und daher ist es für mich unabdingbar, den Standort in der Ausstellung zu reflektieren.
J.K.: Euphorisch heißt es in der Pressemitteilung: »Die BesucherInnen bewegen sich durch die Hubs zu ‘Migration’ usw. und begegnen dort Informationen, die sie die unterschiedlichen Beiträge der 3. berlin biennale nochmals ‘anders’ lesen lassen«. Und wenn ich mich dort nicht hinbewegen will?
U.M.B.: Setze ich mich zum Beispiel mit dem von Jesko Fezer und Axel John Wieder erarbeiteten Hub »Urbane Konditionen« auseinander und sehe in der berlin biennale Arbeiten von Stephen Willats aus den 80er Jahren zum Stadtteil Marzahn oder Ulrike Ottingers Fotos zu »Bildnis einer Trinkerin« von 1999 und zu »Countdown« von 1989, habe ich durch den genannten Hub wiederum eine Referenz zur aktuellen Situation in Berlin und schaue vielleicht unter einem besonderen Fokus auf diese Arbeiten. Durch diese Nachbarschaft entsteht eine Situation, in welcher man bestimmte Arbeiten nochmals anders wahrnimmt. Dieses erneute »Lesen« möchte ich aber nicht zwingend vorgeben. Die Bezüge kann jeder herstellen, sofern sie oder er es will. Deshalb gibt es weder eine chronologische noch eine thematische Abfolge in der Ausstellung. Im Martin-Gropius-Bau sind Arbeiten, die ein Stück weit museale Fläche und auch die Topographie des Martin-Gropius-Baus reflektieren, während in den KW Institute for Contemporary Art Produktionsbegriffe stärker im Vordergrund stehen.
J.K.: Wie definieren Sie Erfolg, unter welchen Parametern ist für Sie die biennale erfolgreich?
U.M.B.: Meine Kriterien sind sicherlich andere als die des Vereins der berlin biennale oder der Geschäftsführung. Da gilt sicherlich auch als ein Erfolgskriterium, wenn am Schluss ein plus minus Null in der Kasse für die Buchhaltung steht oder die BesucherInnenzahlen stimmen und es eine gute Resonanz bei Presse und Publikum gibt. Für mich ist es erstmal wichtig, dass sich die Künstlerinnen und Künstler ernst genommen fühlen, dass sie ihre Arbeit von uns gut umgesetzt und präsentiert finden. Auch die BesucherInnen sollen das Gefühl haben, sie werden ernst genommen. Für mich persönlich ist es ein Erfolg, wenn ich den Eindruck habe, ich habe die Ausstellung präzise hinbekommen und wir als Team alles gegeben haben, was wir können. Ob die Ausstellung sitzt, zeigt sich leider immer erst am Eröffnungstag.