vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 50

Portraits

Gary Hill | Peter Pommerer | Ralf Berger | Trixi Groiss | Claudia Medeiros Cardoso

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Stefan Wissel

Ausstellungen

»Archisculptures«

Künstlerbeilage

Sonja Alhäuser

Edition

Manfred Pernice

Portrait

»Bild 04«, Mixed Media, 2001

Textauszug

Claudia Medeiros Cardoso
Die Künstlerin wollte wie eine Touristin durch die Gaststadt Delmenhorst gehen, bestimmt keine leichte Aufgabe. Sie wollte das ihr zur zweiten Heimat gewordene Bremen bereisen. Wie macht man das an vertrauten Orten? Sie bereiste Brasilien, ihre Heimat, und Frankreich, wohin sie der Beruf, eine Ausstellungsbeteiligung, schickte. Ein Jahr zum Urlaub deklarieren heißt, sich einem Entspannungs- und Selbstver- wirklichungsauftrag zu stellen, der nicht nur Künstler überfordern mag, die sich unter permanentem Produktionsdruck fühlen, die obsessiv ihre Ressourcen Zeit und Wahrnehmung abschöpfen. »Es gibt keinen Rhythmus, keine Vorgaben und keinen Auftrag. Es gibt nur die Verantwortung für die Existenz und für das Vergehen und die Vergänglichkeit von Zeit. Es ist der Alltag freier Künstler.« (Claudia Medeiros Cardoso) Das Thema kam nicht ganz unvorbereitet. Mit »2000 - Das Urlaubsjahr« knüpft sie an erste vorkünstlerische Aufbrüche an. So ziehen sich durch das bisherige, durchaus noch übersichtliche Werk, unübersehbar thematische Fäden: der urbane Raum, der Durch- und Übergang als Qualität von Orten und als gesellschaftliche und individuelle Grundbefind- lichkeit in der Gegenwart, die - nicht gelingende - Kommunikation und die Reflexion von (künstlerischer) Wahrnehmung.

Mit dem Urlaub als eigener Auftragsarbeit und dem Transit als Lebensform schafft Claudia Medeiros Cardoso situative Herausforderungen, auf die sie mit großer Medienvielfalt reagiert. Sie greift darüber hinaus Zwischenzeiten auf, in denen die künstlerische Arbeit auf dem Weg ist. Gleichzeitig reagiert sie auf die Impulse des Betriebs stets in hintersinniger und pointierter Weise. Als sie aufgefordert wurde, an einem Künstlerdialog zum Thema Tschechien- Deutschland teilzunehmen, wendete sie das Fehlen von nationaler Identifikation und geschichtlicher Last produktiv. »Ich bin gleich wieder da« hieß ihre Arbeit, eine Fixierung von Orten als Übergang und kultureller Überblendungen. »Ich habe so getan, als ob ich gerade weggegangen und gleich wieder da wäre. Ich bin aber nicht zurück gekommen und auch nicht zur Ausstellung gegangen. Ich habe mich dort einfach positioniert, ich habe ja keinen Hintergrund gehabt, keine Wurzel. Meine Arbeit ist schon meist Reaktion...«

Rainer Beßling