Artist Ausgabe Nr. 122
Portraits
Chris Drange | Hassan Khan | Norbert Schwontkowski | Sophie ThunInterview
Nadja QuantePage
Pia PollmannsPolemik
Sabine Maria SchmidtEssay
Raimar StangeEdition
Pia PollmannsPortrait
Kylie, Kendall & Skull, 2019, Öl auf Leinwand, 130 x 130 cm, © Chris Drange, Courtesy Sammlung Haus N
Textauszug
Chris DrangeBetrachten wir also ein Porträt von Chris Drange einmal genauer, nämlich sein Bild »Kylie, Kendall & Skull« (2019), das auch auf seiner Einladungskarte zu der aktuellen Ausstellung »Link in Bio« im Museum für bildende Künste Leipzig im stark verkleinerten Maßstab zu sehen ist. Die Geschwister, »Instagrammerinnen« und bei einer jüngeren Generation weltbekannten Social-Media-Stars Kylie und Kendall Jenner sind auf einem Selfie zu sehen, nachgemalt und vergrößert mit Öl auf Leinwand. Zudem hat Chris Drange hier ein Emoji, ein piktogrammartiges Bildschriftzeichen, wie wir sie besonders aus der Welt der SMS kennen, in Form eines Totenkopfes dem Selfie hinzugefügt.
Das Motiv der Schwestern hat der Künstler nach einer intensiven Recherche in einschlägigen Netzwerken wie Instagram und Pinterest ausgewählt. Anschließend hat er das dort gefundene, verführerisch-schöne Selbstporträt der beiden jungen Frauen am Computer kompositorisch nachgearbeitet und dabei u. a. das Emoji in das kreisrunde Bild hinein collagiert. Auch der Hintergrund des Selfies wurde von Drange malerisch aufgewertet. Dann wird seine Version des postmodernen Selbstbildnisses von einer »Machine Learning Manufaktur« in Litauen auf die vom Künstler vorgesehene Endgröße vergrößert. Schließlich wird diese Datei dann von dem osteuropäischen Unternehmen nach China gemailt, wo eine Fabrik für Ölmalerei das Porträt auf Leinwand in quasi anonymer Handarbeit malend übersetzt.
Dass dieses Gemälde der sogenannten Post-Digital-Pop Art zuzuordnen ist, liegt auf der Hand, findet sich doch dort ein Motiv aus der digitalen Welt der Sozialen Medien und auch digitale Technik kommt bei der künstlerischen Herstellung des Bildes zum Einsatz. Und wie schon bei der Pop Art der 1960er und 1970er Jahre handelt es sich bei dem Motiv um eine glanzvolle Ikone der Medienwelt. Nebenbei bemerkt: Bekanntlich gehört der »Skull« auch zu den Sujets eines Andy Warhol, man denke nur an seine sechsteilige Serie »Skulls« aus dem Jahre 1976. Doch bei dem Bild »Kylie, Kendall & Skull« handelt es sich durchaus auch um eine »Hofmalerei«, wie wir sie seit der Renaissance kennen, denn auch bei Chris Dranges Porträt werden glanzvolle, ihre Zeit oder zumindest einen nicht unwesentlichen Aspekt dieser repräsentierende Personen in den künstlerischen Fokus gerückt. Dabei werden die »Celebreties« des hier gemalten Selfies dann zu einer beinahe schon kitschig überhöhten Allegorie von Schönheit und Jugend, aber auch von Vergänglichkeit und Tod: Gerade die vermeintlich makellose Schönheit von »Kylie« und »Kendall« evoziert in einer fast schon dialektischen Wendung die Ahnung von (körperlichem) Verfall und Endlichkeit. Der Totenkopf als traditionsreiches Vanitas-Symbol tut sein Übriges, um Assoziationen wie diese dem Rezipienten nahezulegen. Gemalt ist das nun nicht mehr lediglich digital existierende Ensemble ohne jedweden erkennbaren Pinselduktus, wenn man/frau so will: flach. Emotionsgeladen ist lediglich das Motiv, das trotz allen Kitsches - dem übrigens, so Adorno ebenfalls im besagten Aufsatz, immer auch Momente der »Erfüllung« und »Freiheit« innewohnt - schon fast steril daherkommt. Einen »vermeintlichen Abgrund seiner Innerlichkeit« hat Drange, wie gesagt, eben nicht in malerische Form bringen wollen.
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