Artist Ausgabe Nr. 122
Portraits
Chris Drange | Hassan Khan | Norbert Schwontkowski | Sophie ThunInterview
Nadja QuantePage
Pia PollmannsPolemik
Sabine Maria SchmidtEssay
Raimar StangeEdition
Pia PollmannsPolemik
Textauszug
#BeiMirLäuft'sAb einem gewissen, niederschwelligen Level macht es ja eigentlich keinen Sinn, auf Behauptungen argumentativ zu reagieren. »Schluss mit dem Kult der Exklusivität«, titelte ausgerechnet die Wochenzeitung »Die Zeit« einen Aufruf von Heidenreich und Resch (29. Oktober 2019). »Die Kunstwelt müsse endlich demokratisch werden«, hieß es in den Untertitelzeilen. Was folgte, war eine Aneinanderreihung von abstrus vereinfachten Banalitäten und Allgemeinplätzen über Kunstmarkt, Museumsausstellungen und einige deklamatorisch in Fett gesetzten vorgetragenen und völlig überflüssigen Tipps an Künstler und Betrachter. Wo waren die Autoren nur unterwegs, mochte man fragen. »Künstler sollten etwa ihre Fans mobilisieren« – als würden sie ihre Arbeit und Ausstellungen im Geheimen austragen und nicht längst unterschiedlichste Media-Strategien entwickeln. »Käufer, erwerbt, was euch gefällt, nicht, was sich lohnt!« – als wäre bei mächtigen reichen Sammlern noch ein Unterschied zu vermerken zwischen dem was gefällt und sich lohnt.
Man möchte das Scheingefecht von Heidenreich und Resch daher ins Donquijoteske verlagern, doch kämpfen beide Autoren eben nicht gegen die »Perversitäten« einer »Finanz-Elite« im völlig überheizten Kunstmarkt, in dem Werke auf Kunstauktionen gehäckselt werden, unzählige Fälschungen kursieren oder Instagram-Sammler aufgeblasenen Mickey-Mouse-Puppen zu Preisrekorden verhelfen (Holger Liebs: »Das ist Populismus«, in: Der Freitag, 49/2019). Vielmehr möchte man offensichtlich Anteil haben am dicken Kuchen. Den gewähren – so der Plattformkapitalist und Jungunternehmer Magnus Resch – eben neue Apps und Plattformen, geteilt und genutzt in den sozialen Medien, bezahlt mit den Klickrates der Währungsökonomie Aufmerksamkeit. Das konnte man direkt auf Facebook verfolgen, wo beide mit Stolz vermerkten: ihr Beitrag hätte so viele Klicks wie noch nie bei einem »Zeit«-Artikel generiert.
Wenn Resch also von »mehr Demokratie im Kunstbetrieb« spricht, hört sich das eher nach Marketing und einer Multiplikation von Konsumenten an. Bereits jetzt wurde angekündigt, dass Heidenreich und Resch ein »neues Geheimnis« lüften werden, das den anderen unzähligen Playern des Kunstbetriebes offensichtlich bisher entgangen ist. Mit diesen könne man die Besucher stärker darin einbinden, zu entscheiden, was sie denn sehen möchten. Was sich daraus generieren könnte, kann man dann hoffentlich nicht nur auf Instagram und Facebook oder mittels Lotterien beobachten.
Auf Plattformen wie Instagram oder Larry’s List gibt es nur Gewinner und Global Player. Viele der Protagonisten agieren in einer selbstverliebten, realitätsverzerrenden »Platz da, hier komm´ ich!«- Erzählung. In demokratischen Strukturen gibt es aber auch Minderheiten und Verlierer, die eben nicht ökonomisch autosuffizient arbeiten können und daher von größeren Gemeinschaften geschützt werden müssen. In der Welt der sozialen Medien finden Beharrlichkeit, Rückzug und Zweifel, Ringen um Form und Idee, die Dauer und das Scheitern von Arbeitsprozessen oder Schüchternheit nur selten Ausdrucksformen. Wahrhaftigkeit, Schönheit und innere Notwendigkeit, die Fähigkeit zur Selbstreflexion; all das sind Kategorien, die seit der Aufklärung die Qualität von Kunst mitdefiniert haben. Und nicht zuletzt: zur Qualität des Kunstbetriebs gehören auch integre Persönlichkeiten, die unbestechlich bleiben möchten, die in dem Bewusstsein davon leben, dass persönliche Maßstäbe und Wertvorstellungen sich im Verhalten und in der ästhetischen Produktion ausdrücken können. Ein solcher Einsatz für subjektive positive Werte ist ein ganz elementarer Bestandteil demokratischen Handelns. Es wäre weiterhin ein dringlicher Wunsch, dass genau darüber in den immer marginaler werdenden Feuilletonspalten berichtet wird.