Portrait

Backe, backe Kuchen, 1973, Super 8, Farbe, ohne Ton, 20 Min., Standfoto s/w: Herbert Lachmayer, Courtesy die Künstlerin und Deutsche Kinemathek, Berlin

Textauszug

Margaret Raspé
Die 1933 in Breslau geborene Margaret Raspé hat von 1954-57 Malerei an der Kunstakademie München studiert, danach an der Hochschule für Bildende Künste, Berlin, Mode und Malerei. 1957 heiratet sie, bekommt während der Ehe, die 1969 geschieden wird, drei Kinder. Während dieser Zeit absolviert sie zudem eine Ausbildung als Atemtherapeutin. 1970 beginnt sie wieder künstlerisch zu arbeiten. Schnell wird ihr Haus in Berlin-Zehlendorf zu einem Treffpunkt experimentell arbeitender Künstler, darunter zum Beispiel auch der Fluxus Artist Emmett Williams, der konkrete Dichter Gerhard Rühm und der Theoretiker Oswald Wiener. Als Künstlerin allerdings wird Margaret Raspé damals in dieser »Männerrunde« kaum ernst genommen, geschätzt wird sie stattdessen vor allem als Gastgeberin – legendär waren bezeichnenderweise ihre Pfannkuchen – und Gesprächspartnerin. Erst jetzt, 2023, bekommt die Neunzigjährige ihre erste, hoch verdiente institutionelle Einzelausstellung in Deutschland, und zwar im Berliner Haus am Waldsee die von Anna Gritz kuratierte Retrospektive »Automatik«. Übrigens liegt das Haus am Waldsee in Zehlendorf nicht weit von ihrem Wohnhaus entfernt.

Margaret Raspés 1971 begonnene Werkreihe kurzer Super-8-Filme, die wohl erstmals in der Kunst mit einem sogenannten Kamerahelm gedreht wurden, hätten eigentlich schon Kunstgeschichte schreiben müssen. Mit diesem Kamerahelm konnte sich Margaret Raspé selbst in Echtzeit filmen, wie sie alltägliche Handlungen, zum Beispiel Abwaschen, Sahneschlagen oder das Panieren eines Schnitzels, in ihrer Küche vornahm – und dieses immerhin fünf Jahre bevor Martha Rosler ihre thematisch ähnlich gelagerte Videoperformance »Semiotics of the kitchen« drehte. Um »Care-Arbeit«, wie man heute sagen würde, die immer noch in vielen Familien als typische „Hausfrauenarbeit“ angesehen wird, also handelte es sich in diesen Filmen. Sie tragen dann vielsagende Titel wie »Backe, backe Kuchen«, 1973, oder »Alle Tage wieder – Let them swing!«, 1974, – es geht da um das Abwaschen.

Neben dem bereits angedeuteten Aspekt des Feministischen – Margaret Raspé selbst versteht sich übrigens eher als »Frauenrechtlerin« als als Feministin – spielt hier vor allem der (biopolitische) Umgang der Künstlerin mit moderner Technik eine entscheidende Rolle. Die an dem Helm angebrachte und zudem, um ein Verwackeln zu verhindern, am Bauch fest mit dem Körper verbundene Super-8-Kamera diente Margaret Raspé erklärtermaßen als »Werkzeug« und nicht, um eine Unterscheidung des Wissenschaftstheoretikers Joseph Weizenbaum aus seinem Buch »Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft«, 1977, in das diskursive Spiel zu bringen, als »Prothese«. Der Kamerahelm ist also keine Erweiterung des Körpers, wie in Texten über die Künstlerin fälschlicherweise oftmals behauptet wird, sondern lediglich als ein ihm äußerliches Instrument, das dem erklärten Zweck der Körperobservation dient. Margaret Raspé kritisiert daher auch dezidiert Tendenzen innerhalb des aktuellen Diskurses über »Künstliche Intelligenz« (KI) sowie überaus problematische Überlegungen des »Transhumanismus», die so weit gehen, Maschine und Mensch als »fusioniert«, als nicht mehr zu trennende Einheit zu denken. »Die Menschmaschine funktioniert nicht so«, stellt Margaret Raspé zu Recht entrüstet fest, denn »die Maschine ist nur Energie«, der Körper hat diese Energie zwar auch, verfüge aber über weit mehr Qualitäten, wie etwa Lebendigkeit, der Fähigkeit zur (emotionalen) Berührung, der Möglichkeit des »Heilens« …

In ihrer beklemmenden Performance »Wasser ist nicht mehr Wasser«, 1990, weitete Margaret Raspé das Konzept ihrer ökologischen Interventionen noch entscheidend aus: Wie dokumentarische Fotos zeigen, stieg die Künstlerin, nur mit einem weißen Hemd, roter Mütze und Badeschuhen bekleidet und wunderschöne Obertöne singend, in einen Fluss nahe einer polnischen Lackfabrik, und badete dann in diesem toxischem Wasser. Der Fluß ist dort, nahe Lodz, so stark verschmutzt, das sich ihr Hemd schnell dunkel, fast schon malerisch, grauschwarz einfärbte.

Gleichzeitig versagte allmählich die singende Stimme der Performerin, Margaret Raspé begann zu krächzen wie ein leidendes Tier. In diesem Umweltaktivistischen Selbstversuch treten künstlerische Praxis, hier: das Singen und die Performance des Badens, in einen spannungsvollen Dialog mit der Realität einer durch Technik und Ökonomie verursachten Naturkatastrophe ein. Und stellt so dezidiert Fragen nach der prekären oder kritischen Rolle, die Kunst in diesem Kontext spielen kann. Ein letztes Mal sei die Künstlerin selbst zitiert, jetzt aus einem Gespräch mit dem Magazin »Florida«, 2016, in dem sie klug auch die Probleme von Logo- und Eurozentrismus zur Sprache bringt: »Was machen wir eigentlich, wenn wir Kunst produzieren? Was müssen wir verändern in unserem Bewusstsein, um scheinbare Gegensätze, den Zusammenhang von Kultur und Natur, anders als herkömmlich in der westlich geprägten Welt denken und empfinden zu können?« Genau solche Fragen machen die Kunst der Margaret Raspé gerade heute angesichts der globalen Klimakatastrophe so relevant.

Raimar Stange