Essay

Textauszug

»Museumsschlussverkauf?«
Immer öfter bekomme ich Mails von Museums-PR-Angestellten, die gerne kommuniziert haben möchten, wie viele abertausende Kunstfreunde ihre aktuelle Ausstellung besuchen. Was diese PR-Leute einfach nicht verstehen möchten ist, dass man sich mit solchen »Erfolgsmeldungen« das eigene Grab gräbt, sich willfährig in eine wirtschaftliche Ökonomie einschreibt, in der es nicht mehr um künstlerische Qualitäten geht, sondern nur noch um die affirmative Fähigkeit, sich in der postmodern-kapitalistischen Event-Unkultur zu behaupten.

Das Museum Morsbroich versuchte in den letzten Jahren »in diesem Spagat noch irgendwie vernünftig zu agieren« und wird jetzt dennoch abgestraft: Obwohl die Ausstellungen des Hauses in der jüngeren Vergangenheit mehrfach ausgezeichnet wurden, das Museum Morsbroich wurde 2009 sogar von AICA Deutschland zum »Museum des Jahres« gekürt, forderte jüngst ein Bericht von Wirtschaftsprüfern die Schließung des Hauses. Das Hauptargument dieser betriebsblinden Ökonomen ist, dass das Museum Morsbroich nicht wirtschaftlich arbeite, von nur 18 zahlenden Besuchern am Tag ist da z. B. fälschlich die Rede, und dass die Stadt Leverkusen durch seine Schließung, genauer: durch das Beenden seiner Ausstellungstätigkeit und die Auflösung der Sammlung, mindestens 778.450 Euro sparen könnte.

Selbstverständlich hagelte es Proteste, eine Online-Petition gegen dieses skandalöse Vorhaben wurde inzwischen immerhin bereits von mehr als 10.000 Menschen unterzeichnet. Auch der Maler Gerhard Richter warnte in einem offenen Brief an den Leverkusener Oberbürgermeister mit klaren Worten: »Dieser Vorschlag ist erschreckend«. Dennoch: Das Gutachten hat ein Tabu gebrochen und eine Diskussion in Gang gesetzt, die noch lange, und nicht nur im Betriebssystem Kunst, Wirkung zeigen wird: Ist Kultur ein unnötiges Gut für die Lucky Few, das im vermeintlichen Interesse der Allgemeinheit weggekürzt werden kann?

Der Fall Morsbroich ist leider schon jetzt kein Einzelfall mehr, bekanntlich - artist berichtete mehrfach darüber, z. B. in der Ausgabe 103 unter dem Titel »Irrsinn schrumpft Museum« - wird bereits seit gut fünf Jahren über die Zukunft der Bremer Weserburg | Museum für moderne Kunst diskutiert. Es ging und geht in diesem Streit u.a. um einen Neubau inklusive Auszug aus dem angeblich ach so sanierungsbedürftigen alten Gebäude; um eine kostengünstige Reduzierung der Ausstellungsfläche im bisherigen Haus; um eine Degradierung des Hauses zu einem kleinen Ausstellungsforum für Gegenwartskunst, um eine Zusammenlegung des ersten Sammlermuseums Europas mit der Kunsthalle Bremen, was einer Schließung der Weserburg gleichkäme. Auch im Fall Museum Weserburg geht es also um Sparmaßnahmen für die Stadt - und auch um die lukrative Immobilie, die das jetzige Grundstück des Museums wohl ist. Wieder also sind es nichts als ökonomische Logiken, die über die Existenz eines Kunsthauses entscheiden sollen. So wird der Weserburg z. B. vorgeworfen, sie habe ihr einstiges »Alleinstellungsmerkmal« als Sammlermuseum verloren. Den Verlust einer »USP«, einer »unique selling position«, nennt man so etwas bekanntlich in der Wirtschaft, im Kulturbereich ist dieser Begriff allerdings eigentlich nicht zu Hause. Doch der Wert von Kultur, so macht eine solche Wortwahl, ein solches Argument deutlich, scheint nichts mehr wert zu sein in unserem neoliberal-kapitalistischen Zeitalter.

Raimar Stange