Artist Ausgabe Nr. 109

Portraits

Nick Koppenhagen | Lili Reynaud Dewar | Rochelle Feinstein | Albert Oehlen | Jimmie Durham

Interview

Susanne Titz

Page

Michael Schmid

Edition

Michael Schmid

Polemik

Textauszug

»Künstler kuratieren Künstler«
Frischer Wind«, wie der Kunstpublizist Jörg Heiser in einem Interview sagte, soll auch dieses Mal das Crossover von Künstler und Kurator bringen – doch genau dieses passiert jetzt nicht. Auffallend ist nämlich, dass die aktuellen »Künstler-Kuratoren«, im Gegensatz zu den »Kuratoren-Künstlern« der 1990er Jahre, keineswegs neue Formate für ihr Ausstellen suchen, ganz ARTig werden hier stattdessen die konventionellen Formen der Kunstpräsentation eingesetzt. Und so sieht Jörg Heiser, der übrigens auch schon als Kurator tätig war, dann auch den besagten »frischen Wind« lediglich in einer Hinsicht herankommen: Die meist überaus etablierten Namen der »Künstler-Kuratoren« dienen überwiegend dem Marketing eben der Städte, in denen die jeweiligen Ausstellungen stattfinden, und damit der postmodernen Eingliederung der Bildenden Kunst in so etwas wie Lifestyle und Entertainment.

Ein weiteres Problem des Künstler-Kuratierens ist ebenfalls typisch für unsere »postdemokratisch« (Colin Crouch) neoliberale Gesellschaft: einst vereinbarte Gewaltenteilungen geraten zunehmend ins Wanken. Aus guten Gründen nämlich hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Trennung von Künstler und Kurator etabliert, nur von wenigen Ausnahmen, die die Regel bestätigten, wurde sie durchbrochen. Die zwei wichtigsten Gründe für diese Trennung sind wohl diese: Erstens erfordern beide Tätigkeiten unterschiedliche Arten der Qualifikation; und zweitens wählt das Kuratieren beurteilend aus, darum muss eine Unabhängigkeit von Auswählendem und Auszuwählendem gewährleistet sein. Zunächst also kurz zu dem ersten Grund: Just zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Studiengänge der »Curatorial Studies« international durchgesetzt haben, da wird das Kuratieren wieder vermehrt an »Amateure« vergeben, an Künstler, die eben Kunst studiert haben und nicht das Kuratieren, die zudem auch in aller Regel kaum Erfahrungen im Ausstellungsmachen vorweisen können. Außerdem sind diese Künstler zumeist gewöhnt in der engen Logik ihres eigenen Werkansatzes zu denken – was man z.?B. der von Thomas Demand kuratierten Ausstellung in Mailand überdeutlich ansieht, in die er auch prompt eigene Werke hineingenommen hat – und kaum in der Lage sind zu einer über diesen künstlerischen Tellerrand hinausschauenden Reflexion.

Und genau dieses ist vielleicht sogar politisch gewollt, bleiben so die von den Künstlern organisierten Ausstellungen doch fast immer, Artur Zmijewski war eine der rühmlichen Ausnahmen, immer in so autonom-künstlerischen, wie vor allem dezidiert unpolitischen Konzepten stecken. Eben dieses macht sie dann wiederum kompatibel mit den Zielen des besagten Stadtmarketings. Der zweite Punkt, der der fehlenden Differenz von Künstler und Kurator, hat zumindest zwei Konsequenzen. So ist oftmals zu beobachten, dass Künstler-Kuratoren ihre eigenen (persönlichen) Netzwerke mit ihrer Auswahl der künstlerischen Positionen bedienen. Ein Beispiel: Christian Jankowski hat zu seiner Manifesta 11 eine ganze Reihe »alter Weggefährten« eingeladen, darunter auch die Mutter seines Sohnes. Hinzu kommt, dass Künstler beim Kuratieren meist den etablierten Kunstbetrieb, sie selbst sind ja nun mal ein erfolgreicher Bestandteil von ihm, nicht kritisch hinterfragen, ihn daher auch nicht weiterentwickeln. Stattdessen laden sie Großausstellungen dieses Betriebes »sensibel« und »authentisch« auf, nichts schätzen »Kunstliebhaber« mehr als dieses, indem sie »ihr Werk, ihr Oeuvre mit in die Waagschale werfen«, wie Jörg Heiser dann auch richtig sagt. Was er dann aber verschweigt ist, dass sich die Künstler so auch ein gehöriges Stück Selbstpromotion leisten und so ihren eigenen symbolischen wie konkreten Wert im Betriebssystem Kunst steigern. Abschließend und ein wenig überspitzt formuliert: Der nächste Schritt wäre, Künstler zu Museumsdirektoren zu machen. Dann können sie endlich auch noch entscheiden, welche Werke von ihnen dort gesammelt und für die Nachwelt erhalten werden, ohne von dem kritischen Fachwissen studierter Kunsthistoriker daran gehindert zu werden.

Raimar Stange