Artist Ausgabe Nr. 70

Polemik

Textauszug

»Schluss mit Luxus!«
Umso notwendiger ist damit eine kritische Praxis, die das Feld »Kunst« in seiner Gänze und Verzweigtheit ins Visier nimmt und an den Voraussetzungen angreift. Kunstkritik, die sich aufs Ästhetische zurückzieht und somit zwangsläufig von einer Art prästabilisiertem Wert »Kunst« ausgehen muss, ist ein Luxus, den man sich aktuell nicht leisten braucht. Im Gegenteil ist Kunst mehr denn je in ihrer Bedingtheit darzustellen: will geklärt sein wie sie im Einzelfall zustande kommt, aber auch wie und - in Zeiten ihrer Ökonomisierung - vor allem mit welchem Interesse sie adressiert, vermittelt und verwertet wird. Kunst war, allen anders lautenden Behauptungen zum Trotz, noch niemals in ihrer Geschichte eine Zone interesselosen Wohlgefallens. Mit exakt diesem Wissen sollte sich gerade heute wieder hervorragend arbeiten lassen, auch wenn das erfordern sollte, nicht nur ein Bild und was auf welche Weise drauf ist, sondern auch den Ort seiner Hängung zu sehen, Preis nicht mit Wert gleichzusetzen, eine kuratierte Ausstellung nicht nur als Format sondern auch als Funktionsbestandteil im Rahmen etwa von Kunstmessen einzuschätzen oder Pressetext nicht als bloße Tatsache sondern als zu kritisierendes Diskursangebot aufzunehmen etc.

Hans-Jürgen Hafner