Artist Ausgabe Nr. 46
Portraits
LAWRENCE WEINER | JULIA SCHER | SILKE SCHATZ | DOROTHEE GOLZ | PETER FRIEDLInterview
Alexander Schröder und Thilo WermkePage
Anita LeiszPolemik
Harald WelzerAusstellungen
»ein|räumen - Arbeiten im Museum«Künstlerbeilage
Herwig GillerkeEdition
Jeanne FaustPolemik
Textauszug
»Das Kunstpublikum - ein Phantom«In den Wohnzimmern der administrativen, wissenschaftlichen und ökonomischen Elite dieser Republik findet man alles außer zeitgenössischer Kunst: vom Brecht-Poster über das Klimt-Poster bis zum Beuys-Poster - es ist, als hätte sich die 68er-Kultur - nur milde modifiziert - auf dem Weg vom WG-Zimmer bis in die liebevoll restaurierte Jugendstil-Villa originalgetreu herübergerettet. ...
Das ist insofern nichts Neues, als sich hier die Kultur der Spießigkeit offenbart, die sich noch nie um das geschert hat, was außerhalb der eigenen (kleinen) Welt existiert, aber irgendwie scheint im Zuge der Festivalisierung der Kultur und der totalen Abrufbarkeit jeden Produktes überhaupt die Vorstellung abhanden gekommen zu sein, daß die Beschäftigung mit Kunst, Literatur und Musik nicht im Herumstehen auf den zugehörigen Empfängen besteht, sondern in Auseinandersetzung - das macht Arbeit, verändert dafür aber auch das Leben.
Wenn sich aber niemand fürs Hinsehen interessiert, wer sind dann die Menschen, die auf Ausstellungseröffnungen anzutreffen sind? Und im Zusammenhang mit dieser Frage kann man allerdings die Hypothese aufstellen, daß Galeristen, Kuratoren, Museumsdirektoren und andere professionelle Ausstellungsmacher von einer völlig irrigen Annahme ausgehen, wenn sie glauben, daß Leute, die zu Kunstausstellungen gehen, sich für Kunst interessieren.