vergriffen
Artist Ausgabe Nr. 93
Portraits
Hans Op de Beeck | Christian Helwing | Vlassis Caniaris | Gillian Wearing | Elianna RennerInterview
Nina Höke (Sies + Höke, Düsseldorf) & Alexander Sies (Sies + Höke, Düsseldorf)
Textauszug
Alexander Sies & Nina HökeJ.Krb.: Ein Galerieprogramm ist stets Demonstration der eigenen Präferenzen. Die einen konzentrieren sich auf Gattungen wie Fotografie oder Malerei, die anderen auf bestimmte Stilrichtungen oder auf große Namen. Heute agieren Galerien offener als die klassischen Programmgalerien der 1960/70er Jahre. Das Entweder Oder ist progammatisch durch ein Sowohl als Auch ersetzt. Allerdings besteht die Gefahr, dass Offenheit und Vielfalt in Beliebigkeit abgleiten. Und Ihr Programm?
A.S./N.H.: Unser Programm hat sich über Jahre hin entwickelt. Wir arbeiten eher aus dem Instinkt heraus als geplant. Das ist ja das Spannende, wenn uns ein Künstler begeistert, ohne jede Vorbereitung. Natürlich gibt es eine Balance, der Kern des Programms ist von konzeptueller Kunst geprägt.
J.Krb.: Ihre Künstlerliste umfasst Namen wie Abel Auer, Talia Chetrit, Björn Dahlem, Etienne Chambaud, Marcel Dzama, Federico Herrero, Joao Maria Gusmao + Pedro Paiva, Thomas Kiesewetter, Kris Martin, Jonathan Meese, Fabrice Samyn, Florian Slotawa, Michael van Ofen und Claudia Wieser. Sie entscheiden sich für oder gegen bestimmte Künstler, was sind Ihre Kriterien?
A.S./N.H.: Es sind verschiedene künstlerische Sensibilitäten die uns interessieren. Vereinzelt reicht eine Arbeit, ein Gespräch aus um Interesse zu wecken. Es ist ein Prozess der intuitiv stattfindet, unterschiedlich lange dauert.
J.Krb.: Oftmals geben sich bei den Hochschultagen und Rundgängen die Galerien die Klinke in die Hand. Schon während des Studiums wird an Ausstellungen teilgenommen. Jünger und jünger, schneller und schneller, teurer und teurer lautet das Gebot der Stunde. Die von den Museen präsentierten Künstler werden jünger und jünger, die Preise ihrer Werke steigen ins Unermessliche. Ist statt Beschleunigung Entschleunigung vonnöten?
A.S./N.H.: In den Akademien sollten bis zu einem gewissen Grad der Reife eines Studenten die Rundgänge eingeschränkt werden. Sie werden viel zu früh in die Öffentlichkeit gelassen, mit einem Werk, welches erst am Beginn seiner Entwicklung steht. Es nimmt ihnen die Freiheit sich fern vom Markt künstlerisch zu entwickeln. Die Rundgänge verkommen mehr und mehr zum gesellschaftlichen Event mit Preisen, Party, Shuttlebus und durchgehend warmer Küche.
J.Krb.: Es gab immer wieder Versuche, die klassischen Messeformate aufzubrechen. Ist die Auflösung der klassischen Kojenstrukturen hin zu einer offeneren Struktur im Sinne einer kuratierten Ausstellung sinnvoll? Sind kuratierte Projekte dieser Art Zukunftsmodell oder Scheinlösung?
A.S./N.H.: Bestehende Strukturen zu hinterfragen ist wichtig, nur so entwickelt sich etwas. Kuratierte Projekte lenken den Blick auf die Kunst, weg vom Markt. Kommerziell kann es dort schwieriger sein, aber man weiß ja vorab auf was man sich einlässt.
J.Krb.: Lange Jahre waren die Kunststädte Düsseldorf und Köln wie Katz und Maus. Streitigkeiten der Platzhirsche untereinander, mal oberhalb, mal unterhalb der Gürtellinie, ein Hauen und Stechen. Mittlerweile trinkt man auch Kölsch in Düsseldorf und Alt in Köln. So fand inzwischen die vierte »Dc open« statt, das gemeinsame Wochen-
ende Kölner und Düsseldorfer Galerien. Wurde aus der Not eine Tugend gemacht, um Berlin Paroli zu bieten oder ist das Ganze der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?
A.S./N.H.: Ganz bestimmt ist es kein Paroli gegen Berlin, das wäre lächerlich, sondern eine Bündelung von Ressourcen, die es immer schon gab. Köln hat ganz klar unter dem Wegzug von Galerien nach Berlin gelitten, aber jede Stadt hat Ihre Zyklen. Denken Sie an das Paris der 50er Jahre im Vergleich zu den 1990ern. Als revolutionär könnte man den Umzug einer Galerie von Köln nach Düsseldorf vor zwei Jahren werten und den neuerlichen Zuzug weiterer deutscher Galerien nach Düsseldorf, aber mittlerweile gibt es auch in Köln wieder Neugründungen. Man sollte beide Städte nicht isoliert, sondern als eine Region betrachten, welche international eine bedeutende Rolle spielen kann.