Artist Ausgabe Nr. 49

Portrait

Textauszug

Maria Eichhorn
Vorhang zu und alle Fragen sind offen - das verschleiernde, aber dann auch aufzuklärende Moment von Vorhängen kannte schon Bertolt Brecht. Und natürlich auch der »Altmeister des Suspence« Alfred Hitchcock, der etwa in seinem Film »Bei Anruf Mord« den angeheuerten Killer hinter einem geschickt ausgeleuchteten Vorhang auf sein vermeintliches Opfer warten laßt. Doch der Täter wird dann überaus überraschend selbst zum Dahingemeuchelten. Ebensolch’ dekomponierende Dialektik findet sich auch bei Maria Eichhorns »Vorhängen« wieder, einem Projekt, das die Künstlerin anno 1989 begonnen hat. Das Konzept liest sich lapidar: »Die Arbeit« ‘Vorhang’ umfaßt insgesamt zehn Vorhänge, die über mehrere Jahre hinweg in verschiedenfarbigen Ausführungen an jeweils unterschiedlichen Orten realisiert werden. Farben und Reihenfolge wurden mit dem ersten Vorhang festgelegt«. Der erste »Vorhang« war rot und hing in der Berliner Galerie Vincenz Sala, die beiden letzten »Vorhänge« fielen in Essen in der »Kokerei Zollverein - Zeitgenössische Kunst und Kritik« und waren anthrazit bzw. orange. An all’ seinen Etappen von Berlin über Zürich, Sydney und Tokio, um nur einige Orte zu nennen, leisteten die »Vorhänge« vor allem eines: das Aufdecken von (ideologischen) Funktionen des jeweils durch die Arbeit pointiert vorgestellten Ortes. In der »Kokerei Zollverein« z.B. waren die TEXTilien im neu geschaffenen Vortragssaal und in der stillgelegten Verteilerebene der ausgedienten Kokerei präsentiert - die Spannung von aktuellem Kunstdiskurs und ehemaliger Koksproduktion, oder wenn man so will: von Kopf- und Handarbeit, hat die Künstlerin also mit ihrer so auf- wie zudeckender Positionierung spannungsvoll auf den Punkt gebracht.

Raimar Stange