vergriffen
Artist Ausgabe Nr. 92
Portraits
Pawel Althamer | Andrea Winkler | Andreas Karl Schulze | Georg Winter | Bettina PousttchiPortrait
Pramien (Sonnenstrahl) von Pawe³ Althamer, Marsch in Minsk, Belarus, 7. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, 27.4 – 1.7.2012, Foto: Tomasz Kaczor
Textauszug
Pawel AlthamerAm 17. Mai 2012 in Minsk: Freunde, Mitarbeiter des Künstlers, Vertreter der 7. Berlin Biennale, ein Museumsdirektor aus Gent, einige wenige Journalisten und der Künstler mit seiner Frau treffen sich in der Hauptstadt Weißrusslands, der letzten offiziellen Diktatur in Europa. Pawel Althamer wird dort seine Performance »Sunbeam«, 2012, im Rahmen der höchst umstrittenen Berlin Biennale veranstalten. Einen Tag zuvor noch hatte die Deutsche Botschaft vor der Teilnahme an der Aktion gewarnt, schließlich ist ein kollektiver Marsch, also so etwas wie eine »Demonstration«, in dem Land nicht erlaubt. Und Zivilcourage war nun mal noch nie die hervorstechende Eigenschaft einer Deutschen Botschaft.
Die Performance wurde vorbereitet in einem Jugendclub in Minsk, so gegen 22 Uhr mit einem Rockkonzert, genauer: mit drei Konzerten der nacheinander spielenden Bands »Paprika Corps« aus Polen, sowie »Amaraka« und »N.R.M.« aus Weißrussland. »N.R.M« gehört zu den wenigen kritischen Bands im Lande und genießen dafür längst Kultstatus in Minsk. Die drei Musiker beenden ihren Gig am frühen Morgen dann auch mit dem Song »Ray«, einer speziell für Pawel Althamers Performance »Sunbeam« gesellschaftskritisch umgeschriebenen Version der weißrussischen Nationalhymne. Nach anhaltendem Applaus der meist jungen Zuschauer fordern die Musiker die Konzertbesucher auf, goldene Anzüge überzuziehen, die vor der Bühne des Clubs bereit liegen. Auch eine goldene Maske gehört zu diesem seltsam glamourösen Outfit.
Es ist kurz nach 4 Uhr morgens als wirklich jeder ganz in Gold erstrahlt und der »Marsch der Sonne entgegen« begonnen werden kann. Also raus auf die Straße und gemeinsam mit gut 150 Gleichgesinnten in Richtung Stadtzentrum gegangen. Schon nach wenigen Minuten wird das erste Polizeiauto gesichtet, doch der Tross marschiert unbeirrt und nahezu schweigend weiter. Aber es wird nicht nur langsam heller, sondern es kommen auch immer mehr Polizeiwagen vorbei und nach ca. 40 Minuten sieht die »Avantgarde« des bizarren Zuges, dass in der Ferne eine Polizeisperre aufgerichtet wird. Schnell also werden die goldenen Anzüge ausgezogen und Mann und Frau zerstreuen sich unerkannt in alle Himmelsrichtungen. »Sunbeam«, dieser »Marsch der Sonne entgegen« ist zwar nicht freiwillig, aber immerhin mehr oder weniger friedlich zu Ende gegangen, den Unkenrufen der Deutschen Botschaft zum Trotz. Man sollte übrigens nicht mit ach so demokratischer Selbstgefälligkeit auf das Schicksal dieses durch totalitäre Staatsgewalt abgebrochenen Marsches in Minsk schauen, denn in »unserer« Ex-BRD wäre die Aktion ebenfalls eine prekäre gewesen, sie könnte nämlich unter das »Vermummungsverbot« fallen - Stichwort: die goldene Maske! - und somit ebenfalls durch die vermeintlich freiheitliche Staatsgewalt abgebrochen werden.
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