vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 92

Portraits

Pawel Althamer | Andrea Winkler | Andreas Karl Schulze | Georg Winter | Bettina Pousttchi

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Kinki Texas

Portrait

HVTL0808, 2008, farbige Baumwollquadrate, 5 x 5 cm, Villa Merkel, Foto: AKS

Textauszug

Andreas Karl Schulze
Es sind kleine Farbquadrate, exakt 5 x 5 cm groß. Und sie treten nie einzeln auf, immer mindestens zu zweit oder in Gruppen. Das sind eigentlich die einzigen Konstanten. Wenn in einem Fall die Quadrate exakt im Lot und mit immer denselben Abständen angeordnet scheinen, sodass sich ein geregelter Rapport abzeichnet, tanzt bei der nächsten Gelegenheit mindestens eines aus der Reihe und bringt das regelmäßige Gefüge zum Einsturz. Es geht nicht um Konkrete Kunst im Sinne eines zugrunde gelegten, streng einzuhaltenden Algorithmus. Mathematisch-geometrische Gesetzmäßigkeiten spielen keine Rolle, und dass es sich bei dem Quadrat zweifellos um eine der drei geometrischen Grundformen handelt, hängt mit seiner Neutralität zusammen. Den winzigen Eckchen ist beim besten Willen keine spirituelle Dimension in der Art des Schwarzen Quadrats von Malewitsch anzudichten. Aber ohne diese Vor-Bilder wäre die Arbeit von Andreas Karl Schulze (geb. 1955 in Rheydt) nicht denkbar. Das 5 x 5cm große Farbquadrat ist das Ergebnis der Festlegung der Farbe-Form-Beziehung als eine unveränderliche Konstante zugunsten größtmöglicher Flexibilität im Umgang mit dem Raum. Ausgerüstet mit diesem Werkzeug konzentriert sich Schulze auf den einen Aspekt, die komplexen Beziehungen zwischen der Malerei und all dessen, was sich außerhalb und doch in ständigem Dialog mit ihr befindet.

Bei seiner ersten Arbeit mit einzelnen Farbquadraten auf Leinwand, 1993 in der Chinati Foundation in Marfa, Texas, orientieren sich die Farbgruppen noch stark an einer konventionellen Ausstellungssituation mit mittig gehängten Tafelbildern. Jedoch wird dadurch, dass die durchgefärbten Leinwandquadrate direkt auf der Wand sitzen, die weiße Wand zum Bildträger und damit der gesamte Raum unmittelbar in die Malerei einbezogen. Die Ausstellung in Marfa ist das Ergebnis intensiver Untersuchungen der Farbe-Raum-Verhältnisse wechselweise anhand der Wand- wie der Tafelmalerei. 1991 intervenierte Andreas Karl Schulze im Westfälischen Kunstverein in Münster mit einer Wandmalerei, bei der insgesamt sechs Quadrate aus der cremeweißen Bemalung ausgespart sind, die den Blick auf darunterliegende, farbig unterschiedliche Schichten freigeben. Im ersten Moment erscheinen diese farbigen, damals etwa 10 x 10 cm großen Quadrate als eigenständige Protagonisten – erst im Verlauf einer eingehenderen Betrachtung wird ihre Abhängigkeit von der wandfüllenden Malerei deutlich. Was sich als selbständige Einheit präsentiert, entpuppt sich tatsächlich als eng begrenzter Ausschnitt aus einem darunterliegenden, von der Oberfläche gänzlich verschiedenen Farbauftrag, der aber selbst in dieser sparsamen Dosis eine lebhafte Wechselwirkung in Gang setzt. Ein Jahr später begegnet Schulze der Einladung des Arnsberger Kunstvereins mit einem Aufmarsch hochrechteckiger Tafelbilder. Auf jeder einzelnen dieser in Doppelreihen die Wände in Beschlag nehmenden Tafeln wird das Thema in immer anderen Kombinationen durchdekliniert. Das Vor- und Zurückspringen zwischen den Farbschichten des Einzelbildes, die sich an der Farbigkeit der Räume mit dem dominanten Holzfußboden orientieren, erweitert sich in einen Dialog der Bilder untereinander und schließlich in den gesamten Raum. Wiederum ein Jahr später wandern in Marfa die farbigen Rechtecke aus den Arnsberger Leinwänden als eigenständige Malerei-Module auf die Wand.

Sabine Elsa Müller