vergriffen
Artist Ausgabe Nr. 102
Portraits
Nadira Husain | Thomas Baldischwyler | Elizabeth Price | Reinhold Budde | Berlinde de BruyckereInterview
Esther SchipperPage
Matthias RuthenbergPolemik
Raimar StangeThema
Hajo SchiffEdition
Korpys/Löffler/SchmalPortrait
Ausstellungsansicht: Nadira Husain »BEUGEN STRECKEN«, Künstlerhaus Bremen, 2014, Foto: Björn Behrens
Textauszug
Nadira HusainDas fernöstliche Denken orientiert sich nicht an der Substanz, sondern am Verhältnis«(1), schreibt Byung-Chul Han 2005 in seinem Buch »Hyperkulturalität« und bringt mit dieser Feststellung das Spannungsverhältnis von (festgeschriebenen) Subjekt-Objekt-Dichotomien und (interaktiven) Relationen in das diskursive Spiel. Dieses Spannungsverhältnis ist, wie in der Folge meiner Überlegungen zu sehen sein wird, prägend für die Kunst der jungen in Berlin arbeitenden Künstlerin Nadira Husain, die sowohl fernöstliche als auch europäische »Wurzeln« hat. Nadira Husain, die ihre Karriere zunächst vor allem als Malerin begonnen hat, trägt diesen Konflikt nicht zuletzt in einer Umorientierung aus, die die medialen Grundlagen ihrer Kunst radikal in Frage stellt: An die Stelle von zweidimensionalen Bildobjekten treten neuerdings nämlich immer häufiger dreidimensionale Installationen, die eben nicht bloß anschaubar sind, sondern sich auszeichnen durch die Möglichkeit sich in ihnen bewegend verhalten zu können.
Im Künstlerhaus Bremen hatte Nadira Husain jüngst ihre erste Einzelausstellung in einer deutschen Institution. Bereits der Titel der Ausstellung »BEUGEN STRECKEN«, 2014, betont die Bedeutung von körperlicher Aktion für diese Präsentation, ist »Beugen Strecken« doch eine altbewährte Übung nicht nur in der Krankengymnastik. Da hängen dann drei bemalte, aber leere Rahmen im Raum, so dass es möglich ist durch diese hindurch zu steigen. Man wird dabei nicht nur selbst zu einem Teil des Bildes, wird selbst gleichsam anzuschauende Substanz, man hat zudem selbstverständlich vor und nach dem Durchqueren des fensterartigen Bildraumes jeweils unterschiedliche Blicke auf die Ausstellung. Auch im Ausstellungsraum von der Decke hängende, ebenfalls bemalte Stäbe zwingen den Besucher zu körperlicher Bewegung, zum Bücken nämlich, denn ansonsten würde man und frau gegen diese Artefakte laufen, die ebenso an die Stäbe Andre Caderes (»Barre de bois rond«, 1970 - 78) erinnern, wie an die an der Wand angebrachten Holzstäbe, an denen man im Turnsaal diverse Übungen ausführt. Waren Andre Caderes Stäbe noch mobil in dem Sinne, dass sie vom Besucher weggetragen werden durften, so sind die Stäbe Husains im Raum fixiert – gerade mit dieser kalkulierten Umkehrung betont die Künstlerin die Bewegung des Menschen und nicht die des Objektes.
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