Artist Ausgabe Nr. 113
Portraits
Hiwa K | Axel Hütte | Ralph Schuster | Jan GrooverInterview
Christian Kaspar SchwarmPage
Fernando BryceEssay
Roland SchappertEdition
Ralph SchusterPortrait
Rio Negro-2, Brazil, 1998, C-Print, 187 x 237 cm, © Axel Hütte
Textauszug
Axel HütteNight and Day. Unter dem Titel »Night And Day« zeigt der Fotokünstler Axel Hütte im Museum Kunstpalast in Düsseldorf etwa 70 großformatige Nacht- und Tagbilder aus den Jahren 1994 bis 2017. Es sind Landschaften und Architekturen, die er auf allen fünf Kontinenten fotografiert hat. Seine bislang größte Werkschau überhaupt. Grandios und imponierend. Wem bei dem Titel der Ausstellung allein eine rein chronologische Zuschreibung einfällt, der denkt zu prosaisch. Wer bei ihm indes an den Cole Porter-Klassiker aus dem Jahre 1932 denkt, den bis heute eine Vielzahl renommierter Musiker nicht ohne Grund gecovert haben, ist nahe dran an einem sinnlichen Subtext, der dem Schaffen Hüttes ganz zweifellos zugrunde liegt, vor allem in den letzten Jahren. Der 1951 in Essen geborene Künstler, der von 1973 bis 1981 an der Kunstakademie Düsseldorf in der Foto-Klasse von Bernd Becher studiert hat und dessen Assistent war, zählt zu jener Riege von Fotografen, die unter dem Etikett »Düsseldorfer Fotoschule« bekannt und berühmt geworden sind. Außer ihm haben bei dem Ehepaar Bernd und Hilla Becher u. a. Boris Becker, Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff, Jörg Sasse und Thomas Struth studiert, um nur die populärsten Namen zu erwähnen.
Eine erhabene Ruhe durchströmt all seine Bilder, die sich auf den Betrachter überträgt, sodass man sie am Ende in beinahe andächtiger Weise wahrnimmt. Eine Stimmung, der die hohen Räume des Düsseldorfer Kunstpalastes und die gelungene Hängung dort in idealer Weise entgegenkommen. Jedes Werk hat den Platz, welchen es braucht, um allein oder auch mit anderen Wirkung zu entfalten. Das fällt besonders da ins Auge, wo thematisch zur Serie sich bündelnde Aufnahmen präsentiert werden wie Hüttes Meer- und Eisansichten aus der Antarktis. Von leicht erhöhtem Standpunkt aus aufgenommen, demonstrieren sie indes nicht die bekannte und beliebte Überwältigung des Betrachters durch gewaltige Eisberge. Treiben in Hüttes Fotografien Eisschollen durch das Wasser wie Noten in einer wohl temperierten Partitur, hat das nicht allein einen lyrischen Klang, sondern zeugt auch von einer nachdenklich machenden Überwältigung der Natur durch den Menschen. Stichwort Erderwärmung. Aber dieser Aspekt kommt bei der Betrachtung der Bilder ganz nebenbei ins Spiel, sozusagen auf Taubenfüßchen, mit denen nach Friedrich Nietzsche die großen Ideen die Weltbühne betreten.
Urwälder, Nebel, Feuer, Spiegelungen. Sehr viel wilder und undomestizierter als das Eis der Antarktis präsentieren sich die Dschungelansichten, die Axel Hütte in Venezuela und Brasilien gefunden hat. Der Künstler zeigt sie frontal, zum Teil auch in leichter Untersicht, was ihre machtvolle Präsenz noch verstärkt. Die Urwälder besetzen seine Bilder wie All over-Werke die Leinwände von Jackson Pollock. Überhaupt steht die malerische Qualität der Aufnahmen Hüttes außer Frage. Bei all ihrer analytischen Schärfe wirken sie immer auch wie Gemälde und erinnern an ganz unterschiedliche Kunststile. Dieser Künstler weiß in souveräner Manier mit der Kamera zu malen. Trotz der machtvollen Wildheit des Dschungels legen auch diese Bilder Zeugnis ab von der Präsenz des Menschen, obwohl man nie einen Menschen sieht in den Fotografien von Hütte. Hier ist es der Künstler selbst, der durch die Komposition, die er seinen Ansichten gibt, den Furor der Natur diszipliniert. Am Deutlichsten vielleicht in »Rio Negro-2, Brasil« (1998), in dem die schwarzen Baumstämme und ihre Spiegelungen im Wasser das Bild strukturieren, und zwischen ihnen Farne und Pflanzen in allen möglichen Grüntönen leuchten. Während man sich in diesen Bildern als Betrachter zu verlieren droht, wirken andere wie zarte Kaligraphien. Trotz des Nebels, der über »Rheingau/Nebel-2, Germany« (2009) liegt und die Konturen der Landschaft zum Teil verwischt, gibt es eine klar erkennbare Dreiteilung zwischen Wasser, Erde und Himmel. Sie wird aber zugleich wieder aufgehoben, weil sich die Elemente im Bild so innig miteinander verbinden, als wollten sie eine romantische unió mystica der Natur demonstrieren. Hütte liebt es, den Nebel ins Bild zu setzen, am Eindringlichsten vielleicht in der Aufnahme »Furkablick, Switzerland« (1994), dem ältesten Bild der Ausstellung, weil der Nebel die Dinge verschwinden lässt und im übertragenen Sinne Leerstellen in den Aufnahmen schafft, die der Betrachter dann mit seiner eigenen Fantasie ausfüllt. Solche Unschärfen werden natürlich par excellence auch durch herrliche Spiegelungen herbeigeführt, die wie impressionistische Gemälde wirken. Hervorragend sind in dieser Hinsicht »The Pond, South Africa« (2001) und »TsiTsi Kama, Cruise River, South Africa« (2001). Ebenso fantasieanregend und malerisch ist das Diptychon eines Waldbrandes in dunkler Nacht, »Capulin Fire-1, Dip. USA« (2007), in dem das Drama der Zerstörung und die Schönheit seiner Darstellung miteinander um Deutungshoheit ringen. Einem abstrakten Gemälde ähnelt dagegen »Hypipamee« (sic!), eine Aufnahme aus dem Jahr 1999, die Hütte im australischen Hypipamee-Nationalpark gefunden hat und die wie eine Landkarte der Traumpfade der Ureinwohner des Landes aussieht.
Frühwerk. Die Bildversperrung als Strategie, um – ähnlich einer Metapher – zwei differente Wirklichkeiten zusammenzuschließen, findet sich bei Axel Hütte bereits in einem ganz frühen Werk, »Immermannstraße«, aus der Serie seiner zwischen 1978-80 entstandenen Ansichten Düsseldorfer Hausflure, Tiefgaragen und Tankstellen. Schon in diesen Bildern werden ihre völlig unspektakulären Motive durch den Blick des Fotografen in den Rang von »Sehenswürdigkeiten« erhoben. Die Reduktion und Klarheit der Kompositionen, der Einsatz des Lichtes in ihnen, die feinen Grauabstufungen der Schwarzweiß-Aufnahmen und die dezenten Kolorite der Farbfotografie sind sensationell. Zusammen mit weiteren Bildreihen konstituieren sie das Frühwerk des Fotografen. Es reicht grosso modo bis 1995 und ist gegenwärtig in einer nicht weniger sehenswerten Ausstellung als die Düsseldorfer Schau, dabei zeitlich fast parallel zu ihr, im Josef-Albers-Museum Quadrat in Bottrop zu besichtigen. Besucht man beide Ausstellungen, gewinnt man einen grandiosen Überblick über das gesamte Schaffen von Axel Hütte. Und mit dem Erwerb des jeweiligen, exzellent gemachten Katalogs der beiden Häuser hält man ein umfassendes fabelhaftes Werkkompendium des Fotokünstlers in Händen.
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