Polemik

Weserburg | Museum für moderne Kunst

Textauszug

»Irrsinn schrumpft Museum«
Wenn von »kreativen Auseinandersetzungen mit Gegenwartsthemen« die Rede ist und von »ungewöhnlichen Perspektiven«, die »zum Weiterdenken einladen«: Wenn sich also das Zukunftskonzept für eine Kultureinrichtung in solchen hohlen Phrasen erschöpft, dann ist die Politik am Werk. In Bremen läutet dieses sinnfreie Wortgeklingel gerade den Ruin einer herausragenden Institution der deutschen Museumslandschaft ein. Es gilt nichts weniger, als eine Burg zu schleifen: die Weserburg, Europas erstes und bis heute einziges Sammlermuseum. Dieses, so ist in diversen Publikationen der hansestädtischen Kulturbehörde zu lesen, sei von einer fatalen »Entwicklung eingeholt worden«. Private Sammler nämlich, von deren Leihgaben das Haus auf der Flussinsel abhängig ist, arbeiteten längst mit allen möglichen Museen zusammen, das Bremer Modell habe sein Alleinstellungsmerkmal verloren. Dass überdies die Frieder Burdas und Reinhold Würths dieser Welt seit einigen Jahren auch noch verstärkt in eigene Kunstpaläste investieren, gebe der Idee eines »Sammlermuseums« den Rest. Und nicht zuletzt zeigten Umfragen, dass die meisten Besucher das Prinzip einer Kunstpräsentation aus Sammlerperspektive gar nicht mehr verstehen. Kurzum: Macht die Hütte doch endlich dicht – oder wenigstens so klein, dass sie uns kein Geld mehr kostet!

Doch die Hütte ist immer noch eine Burg, wenn auch eine sanierungsbedürftige. Wer sie nieder- oder wenigstens einreißen will, braucht eine Strategie. Im Politbetrieb nennt sich diese meist: »Gutachten«. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ein Politiker von »radikalem Neuanfang« spricht oder ein externer Kunsthistoriker mit Professorentitel und allerlei sonstigem Akademikerproporz. In Bremen hat sich Prof. Dr. Helmut Friedel, seines Zeichens Intendant des Baden-Badener Museums Frieder Burda, bereit erklärt, die Sache »Weserburg« einmal von unabhängiger Warte aus zu beleuchten. Insider berichten von vorab verteilten Beruhigungspillen an besorgte Museumsfreunde: Er schreibe keine Gefälligkeitsgutachten, habe Friedel ihnen versichert. Nun ja, das dürfte heute mancher anders sehen. Ganze Sätze hat der Experte wortgleich aus den Schriften der Kulturbehörde übernommen, einschließlich manch hohler Phrase und sogar eines Kommafehlers. Man weiß jetzt nicht, worüber man sich mehr aufregen soll: über die Dreistigkeit des offenkundigen Plagiators? Über den politisch beeinflussten Stiftungsrat des Museums, auf dessen Initiative dieses üble Spiel zurückgeht? Oder über die Bremer Kulturbehörde, die das bereits enttarnte Plagiat ohne mit der Wimper zu zucken der Kulturdeputation als Diskussionsgrundlage vorlegt? Vielleicht ist die Aufregung noch am besten bei der Sache selbst aufgehoben: bei den von Stadt und Gutachter vorgetragenen Argumenten für eine Umwandlung des Museums in ein »Ausstellungsforum« für »junge Kunst des 21. Jahrhunderts«. Denn die alleine bieten schon genügend Stoff zum Haareraufen.

Viel wäre ja schon mal gewonnen, wenn sich die Berater des Kultursenators einmal die Mühe machten und einmal einen Blick aus der Haustür des Museums riskierten. Dann könnten sie gleich gegenüber eine Einrichtung erkennen, die den schönen Namen »Gesellschaft für aktuelle Kunst« trägt und verdächtig nach einem »Ausstellungsforum« für »junge Kunst des 21. Jahrhunderts« aussieht. Doch diese, heißt es in Friedels Gutachten, sollte bei den Zukunftsüberlegungen »ausgeklammert werden«, weil sie »selbständig funktionieren und agieren« könne. Das ist bemerkenswert angesichts einer Argumentation, die mit nahezu jedem dritten Satz auf »Alleinstellungsmerkmale« abzielt. Profilähnlichkeiten mit Museen in Baden-Baden und Schwäbisch Hall, so scheint es, sind ein gigantisches Problem. Eine konzeptionelle Deckungsgleichheit mit dem Nachbarn gegenüber dagegen macht fast gar nichts. Verstehen lässt sich das nur, wenn man den zweiten Schritt gleich mitdenkt: Nur wer ein Museum überflüssig macht, kann es später auch schließen.

Johannes Bruggaier