Artist Ausgabe Nr. 33

Polemik

Textauszug

»Talmiglanz und Fassadenrethorik«
Wie und wo alles angefangen hatte, weiß eigentlich keiner mehr so richtig. Und jetzt, wo die ganze Geschichte wirklich gründlich und unkorrigierbar schief gegangen ist, begnügt man sich mehr oder weniger damit, die Katastrophe einfach nicht wahrzunehmen. Die Rede ist von dem Architekten und ihrer Leidenschaft, Kunsthäuser, Kunsthallen und Museen zu bauen, die unseligerweise selbst Kunst sein wollen...

Wie der Teufel das Weihwasser, scheut die heutige Championsleague der Architekten all das, was einst unwidersprochen zum eisernen Grundbestand einer funktionierenden Ausstellungsarchitektur zählte: Klare, rechtwinklige Räume mit proportionierten, genügend hohen Wänden und vorzugsweise Oberlicht...

Einen vorläufigen Spitzenplatz in der langen Rangliste der Museumsbauten, die Kunst nicht beherbergen sondern beherrschen wollen, darf O.M. Ungers Anbau für die Hamburger Kunsthalle für sich beanspruchen. Die neue Galerie der Gegenwart ist dem Zuchtmeister des Quadrats zum Menetekel eines Gebäudes geraten, das mit puristisch-puritanischem Getue eine Oberfläche scheinbarer Zurückhaltung vorgaukelt, die bei näherem Licht besehen, nichts anderes anstrebt, als eine von jedem Nutzungszweck absehende Selbstfeier...

Stephan Berg