Artist Ausgabe Nr. 77
Portraits
Andrea Pichl | Joseph Marioni | Till Krause | Sofia Hultén | Nedko Solakov | Tobias RehbergerInterview
Susanne GaensheimerPage
Herwig GillerkeEssay
Raimar StangeKünstlerbeilage
Thomas BehlingEdition
Astrid NippoldtPortrait
Textauszug
Andrea PichlZunächst also ein Beispiel aus dem Werk der in (Ost)Berlin lebenden Künstlerin, gleichsam eine »Ost-Begehung«: Ein photographierter Getränkemarkt der Kette »Hoffmann« ist vor einem typischen DDR-Plattenbau in Erfurt auf einer Collage von Andrea Pichl zu sehen, darüber ein gemaltes Flugzeug, im Vordergrund drei sitzende Knaben, ebenfalls gemalt, wie das besagte Flugzeug nach dem sozialistischem Realisten Alexander Deineka. Diese Arbeit »o.T.« (2007), die Andrea Pichl nicht, wie heute sonst eigentlich üblich, mit Hilfe des Computerprogramms Photoshop erstellt hat, sondern quasi »handwerklich« mit dem »guten alten« Cutter, übernimmt die räumliche Ordnung des Bildes »Zukünftige Flieger« (1938). Doch da, wo Alexander Deineka noch sehnsuchtsvoll Strand und Meer platzierte, da steht nun das graue architektonische Ensemble der Marke (einst) real-existierender Sozialismus. Die graue Tristesse dieser Lebenswelt wird noch dadurch unterstrichen, dass die junge Künstlerin die Collage bewusst in schwarz-weiß gehalten hat, Alexander Deinekes Gemälde ist dagegen noch farbig gewesen. Der erklärte Zweck der artistischen Übung: Andrea Pichl schließt hier die (gemalte) Utopie und die (photographierte) Realität des Ost-Sozialismus‘ kurz und liest dank der daraus resultierenden Spannung beides kritisch gegen: Strand versus Beton, Reisen statt Bodenhaftung, Jugend versus »Platte« .... Doch damit nicht genug: Das Schild des »Getränkemarkt Hoffmann« lädt diese so subjektive wie alltägliche Ansicht zudem mit den Versprechungen auf, die der westliche Kapitalismus zu bieten schien und scheint: freier Markt, Kaufkraft, Konsum, Rausch ....
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