vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 90

Portraits

Annette Wehrmann | Aernout Mik | Dirk Stewen | »Vor dem Gesetz...« | Marcel Dzama

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Claudia Kapp

Künstlerbeilage

Christopher Muller

Edition

Peter Böhnisch

Portrait

untitled, 2010, Tusche, Papier und Fäden auf Fotopapier, 183 x 152,5 cm, Courtesy of Maureen Paley Gallery, London

Textauszug

Dirk Stewen
Eine wichtige Werkgruppe Dirk Stewens sind die »Konfetti-Arbeiten«, die auf dunklem und hellem Papier entstehen. Die dunklen sind nicht durchnummeriert. Die hellen dagegen werden mit »Untitled (Soft Corps)« betitelt und durchnummeriert. Ausgangsmaterial für die dunklen »Konfetti-Arbeiten« ist großformatiges Fotopapier für Farbfilme. Dirk Stewen entnimmt es der Packung, setzt es dem Tageslicht aus und färbt es in mehreren Arbeitsgängen mit schwarzer Tusche ein. Hier beginnt ein längerer, nicht bis ins letzte Detail kontrollierbarer Arbeitsprozess, denn die Tusche muss trocknen, bevor weitergearbeitet werden kann. Das Ergebnis: ein organisch wirkendes, farblich changierendes Material. In der nächsten Phase wird das Papier dann behutsam geknickt, brutal durchstochen und mit Nähten versehen. Mit Fäden fixiert Dirk Stewen an großformatiges Konfetti erinnernde, ausgeschnittene Kreise in verschiedenen Durchmessern auf dem durchgefärbten Papier, teilweise übereinandergelagert. Diese Papierkreise stellt er selbst her. Er verwendet dafür ausschließlich Materialien aus seinem Atelier: Aquarelle, Fotos, Plakate, in den Schubladen liegende Drucksachen. Fast wie in einer Recyclingwerkstatt werden gebrauchte, vorerst aussortierte, aber sorgsam aufbewahrte Elemente neu zusammengestellt und wiederverwendet, bis sich ein neues, stimmiges Ganzes ergibt. Die Mischung aus im eigenen Archiv vorgefundenen, heterogenen Schichtungen und ihrer Kombination mit neuen Elementen ist charakteristisch für die Arbeitsweise von Dirk Stewen. Jeweils neun Fotopapiere setzt er zu einer Fläche zusammen. Die Konfetti-Kreise sind mit teils schwarz bemalten, teils farbig durchscheinenden Fäden auf das Papier genäht. Überschüssiges Fadenmaterial hängt aus dem Bild heraus. Das Konfetti und die Fäden verleihen den Arbeiten eine karnevaleske Heiterkeit und Leichtigkeit, die durchaus auch biografisch zu lesen ist. Dirk Stewen wurde im westfälischen Dortmund geboren, wo das Phänomen Karneval eine große Rolle spielt. Gleichzeitig rufen die herabhängenden Fäden aber auch Assoziationen auf, die an organische Zersetzungs- und Auflösungsprozesse erinnern. Stewens Sternbildern oder Kartographien ähnelnde visuelle Ordnungen entpuppen sich so als aus dem Gleichgewicht geratene Systeme.

Nicole Büsing / Heiko Klaas