vergriffen
Artist Ausgabe Nr. 90
Portraits
Annette Wehrmann | Aernout Mik | Dirk Stewen | »Vor dem Gesetz...« | Marcel DzamaEssay
Textauszug
»Google-Kunst?«Mit »Google« nun verändert sich die Recherche und Aufbereitung von kulturellem Wissen grundlegend, denn dank des »Googelns« - das Wort steht seit 2004 als feststehender Begriff im Duden! - erübrigt sich (endlich?) der zeit- und arbeitsintensive Besuch einer Bibliothek und auch das eventuell gar mühsame Lesen eines Buches scheinbar. Stattdessen braucht nur noch ein Name, ein Begriff oder eine Jahreszahl z. B. auf der »Google«-Startseite in das richtige Fenster eingegeben werden und in Sekundenschnelle erscheinen Definitionen, Übersetzungen, ja ganze Artikel oder Dissertationen zu dem gesuchten Begriff. Recherche wird so angeblich zum Kinderspiel, »Hierarchien von Wissen«, so feierte man diesen (rhizomatischen) Prozess anfangs, werden so abgebaut, tendenziell für Jedermann ist alles und dieses überall - auch mit dem Handy - nachlesbar. Doch, so ist nicht nur meine These, die neue Leichtigkeit dieser Wissensbeschaffung hat durchaus auch seine negativen Seiten, denn Wissen wird so nicht nur gezielt dekontextualisiert, etwa dadurch, dass bekannte Zitate aus dem Sinnzusammenhang eines Buches gerissen werden, sondern gewinnt auch einen beinahe beliebigen Charakter, steht jetzt doch plötzlich alles gleichwertig und gleich schnell erfahrbar nebeneinander, das Geburtsdatum eines Schlagersternchen hat also flugs das gleiche Gewicht wie die Habilitation eines bedeutenden Philosophen oder das Werk eines spannenden Künstlers – schließlich gibt es ja auch die »Google-Bildersuche«.(2) Mehr noch: Deutlich finden sich mehr Einträge zur jüngeren Geschichte bzw. Aktualität denn zu älteren Zeitabschnitten und auch eine Dominanz englischsprachiger Einträge ist offensichtlich. Dies führt zu Verfälschung und Umstrukturierung von (Kunst)Geschichte, Wissen (und Wahrheit).