Artist Ausgabe Nr. 124

Portraits

Frauke Dannert | Simon Modersohn | Franziska Keller | Jonathan Monk

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Regina Marie Möller

Portrait

Ausstellungsansicht, »Frauke Dannert. Collage«, 2016, Kunstmuseum Luzern, Foto: Studio Frauke Dannert

Textauszug

Frauke Dannert
Das besondere Faszinosum der Papiercollagen von Frauke Dannert hängt mit ihrer räumlichen Energie zusammen. Selbst bei sehr kleinen Formaten schaffen es die aneinandergefügten Bildschnipsel, den Bildraum zu öffnen und in neue Dimensionen vorzustoßen. Die ihnen eingeschriebene Illusion von Tiefenräumlichkeit kollidiert mit der harten Realität der Schnittkanten. Zwischen der flachen Materialität und dem Eindruck einer räumlichen Bewegung wirken antagonistische Kräfte, die das innerbildliche Geschehen sehr dicht erscheinen lassen. Schon bei ihrer ersten Collage aus dem Jahr 2007 erzielt Frauke Dannert durch eine schlichte Verdoppelung einen verblüffenden Effekt: Sie platziert zwei aus Kopien ausgeschnittene Abbildungen eines Zirkuszelts spiegelbildlich sich selbst gegenüber, so dass sich die beiden Dreiecksformen zum Karo ergänzen. Die in den Einzelformen angedeutete Räumlichkeit potenziert sich derart, dass sich das gespiegelte Zelt in einen frei im Raum rotierenden Kreisel verwandelt.

Der Vorstoß von der Fläche in die dritte Dimension wird zum Grundthema. Dabei spielt die ausgefeilte Ökonomie der Mittel eine entscheidende Rolle. Dannert verwendet für ihre Papiercollagen ausschließlich schwarzweißes Bildmaterial. Die Beschränkung auf das Schwarzweiß mit seiner reichen Skala an Grauwerten begünstigt die retrospektiv und entrückt wirkende Anmutung. Vor allem aber betont die Hell-Dunkel-Modulation die plastischen Qualitäten, was sie auch für die Architekturfotografie so attraktiv macht. Mit dem ihr eigenen Gespür für dynamische Komponenten wie Raumfluchten, Plastizität und Verkürzungen klopft Dannert das Bildmaterial auf Einzelformen ab, deren skulpturale Qualitäten erst, wenn sie aus ihren Kontexten herausgelöst sind,so richtig sichtbar werden. Die in der Collage neu hergestellten Beziehungen scheinen umso enger und homogener miteinander verschweißt, je stärker sich das Formenvokabular auf nur wenige Modifikationen beschränkt. Die meisten Arbeiten sind aus sehr ähnlichen Elementen, manchmal auch, wie bei dem Beispiel des gedoppelten Zirkuszelts, aus einer einzigen, mehrfach eingesetzten Form aufgebaut.

In ihren Einzelausstellungen trägt die Künstlerin diesen vielschichtigen Überlagerungen Rechnung, indem sie in die Ausstellungsräume eigene Erfahrungsräume einschreibt, die sich von den architektonischen Gegebenheiten in einem verblüffenden Ausmaß unabhängig machen können. 2016 zergliedert sie im Kunstmuseum Luzern die Räume ähnlich wie in ihren Collagen mit dynamischen Formen und Bewegungslinien, die jetzt über Fußboden und Wände laufen. Der in den Raum eincollagierte imaginäre Raum ignoriert die Grenzen zwischen Boden und Wand. Die Linien und Felder der Teppichintarsien auf dem Boden verwandeln sich am Übergang zur Wand in Wandmalerei in derselben Farbigkeit, so dass eine perfekte Illusion eines in die Architektur eingebetteten Farbraums entsteht. Die Farbe übernimmt hier die raumaktivierende Rolle, die in den Schwarzweißcollagen den plastischen Formelementen zukommt.

Auch in diesen Rauminstallationen öffnet sich ein virtueller, entgrenzter und in eine visionäre Dimension vorstoßender Raum auf der Basis der physischen Welt. Dasselbe Prinzip verfolgt Frauke Dannert auf fotografischem Weg: Dabei benutzt sie eine analoge Mittelformatkamera im quadratischen Format, die Mehrfachbelichtungen zulässt, zwischen denen die Kamera gedreht werden kann. Bei den eher zufällig entstehenden Überlagerungen dieser transparenten vimeo. com/439057047und ephemeren Räume hat es den Anschein, als ob die Kamera Dinge sichtbar macht, die das bloße Auge nicht sieht. Hier ist es das Licht, das den Raum öffnet und verzaubert.

Sabine Elsa Müller