Artist Ausgabe Nr. 124
Portraits
Frauke Dannert | Simon Modersohn | Franziska Keller | Jonathan MonkEssay
Textauszug
»Paint it black?«Wieder einmal wird das Abhängen eines Bildes in einem Museum, das möglichst spurlose Verschwinden einer Arbeit aus dem Kulturbetrieb gefordert. Und wieder einmal geschieht dieses im Kontext von Rassismus und Antisemitismus. Emil Nolde, Otto Mueller, Zentrum für politische Schönheit, Stephan Balkenhol, jetzt Georg Herold – die Liste derjenigen, die sich solch eine (hypermoralische) Kritik, ja Zensur, gefallen lassen müssen, wird also länger und sicherlich noch länger werden (Martin Kippenberger, Anselm Kiefer ...?). Durchaus umstrittene Kunstwerke sollen nicht nicht mehr wahrgenommen und ergo in der Folge auch nicht mehr diskutiert werden. Für diese fatale kulturpolitische Strategie, die nicht zuletzt von der »Postkolonialen Theorieindustrie« (Maria do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan) vorangetrieben wird, oftmals in Form von Shitstorms in den sogenannten »Sozialen Netzwerken«, à la Facebook und Instagram, gibt es bekanntlich schon einen Namen, und zwar den Begriff der »Cancel Culture«.
Ziemlich sad, dass wir darüber noch diskutieren müssen«, etwa ist da auf Facebook in wohl absichtlich gebrochenem (pseudo »kreolisierten «) Deutsch zu lesen. Oder die Kunsthistorikerin Judith Eilers, im Deutschlandfunk: »Ich glaube nicht, dass das Thema Rassismus überhaupt noch ein Diskurs sein sollte. Da gibt es nichts zu verhandeln. Eine Verhandlung würde bedeuten, es wäre ergebnisoffen und man könnte sich auch noch entscheiden, dass Rassismus in Ordnung sei.« Dass Rassismus nicht »in Ordnung« ist, darüber muss in der Tat nicht geredet werden. Daraus allerdings, wie nicht nur Judith Eilers, den Schluss zu ziehen, dass »es überhaupt keine Debatte braucht«, macht einen ratlos: Wie bitte soll denn das Thema sonst im Kulturbetrieb »verhandelt« werden?! Eilers ausweichende Antwort: »Es wäre schon ein guter Anfang, die Betroffenen zu fragen, die Betroffenen zu sammeln und auszustellen.« Niemand wird da widersprechen, nimmt man Eilers aber ernst, dann dürfte ja auch über deren Arbeiten nicht »debattiert« werden …
Gerade die identitätspolitische Behauptung, »weiße Künstler« dürften nicht über Rassismus arbeiten, ist überaus problematisch. Zum einen wird dieses Verbot u. a. mit einer Idee von Authentizität begründet, die gesagt, dass nur der, der unter Rassismus leidet, diesen auch thematisieren kann. Auch damit dieses Thema endlich nicht länger nur von einer »weißen« Perspektive aus verhandelt wird, sollen deswegen nur People of Color über Rassismus arbeiten dürfen. Diese Forderung reagiert auf die zu verdammende jahrhundertelange Unterdrückung nicht-weißer Stimmen, dieses allerdings in einer Art und Weise, die neue Formen von Unterdrückung generiert. Stattdessen aber sollte, wie der linke Soziologe und Philosoph Ernesto Laclau in seinem Aufsatz »Universalismus, Partikularismus und die Frage der Identität« klug gefordert hat, »die Inkohärenz von universalen Rechten, die auf partikulare Bevölkerungssektoren beschränkt sind, aufgezeigt« werden, »um demokratische Prozesse zu vertiefen«. So können dann neue »demokratische Praktiken« etabliert werden, die »den gegenwärtigen Umständen voll angepasst sind« und eben auch bisher ausgegrenzte »Bevölkerungssektoren« integrieren. Zum anderen ignoriert dieses identitätspolitische Verdikt, dass Menschen empathiefähig sind und Solidarität empfinden können, also durchaus Probleme wie Rassismus kritisch bedenken können und wollen, auch wenn sie dieses Problem nicht an der eigenen Haut erfahren. Last but not least transportiert der Terminus »weißer Künstler« einen »strategischen Essentialismus« (Gayatri Chakravorty Spivak), der dann allzu simplifizierend agiert, macht er doch keinen Unterschied zwischen, vereinfacht formuliert, alt und jung, arm und reich, links und rechts, hetero- und homosexuell. Was zählt ist da nichts als die ewig gleiche weiße Männlichkeit, die scheinbaralles bestimmt und sich angeblich grundlegend von z. B. weißer Weiblichkeit unterscheidet. Realität sieht anders aus, komplexer und widerspruchsvoller und ist darum auch weniger ideologisch zu beschreiben.