Artist Ausgabe Nr. 124

Portraits

Frauke Dannert | Simon Modersohn | Franziska Keller | Jonathan Monk

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Regina Marie Möller

Interview

Gunda und Peter Niemann, Sammlung Haus N

Textauszug

Gunda und Peter Niemann
J.Krb.: Die einen sammeln Kunst aus Eitelkeit, um im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen, andere wollen ihr Geld vermehren oder behaupten, ohne Kunst mache das Leben keinen Sinn. Für Wilhelm Schürmann ist das Sammeln eine intellektuelle Herausforderung. Axel Haubrok sagte mir im Interview, es habe nie Zeiten gegeben, in denen er ohne Kunst hätte leben können. Thomas Olbricht betonte, offenbar gibt es so etwas wie eine genetische Disposition, die einen antreibt etwas zu sammeln. Was macht für Sie die Faszination des Sammelns aus?

P.N.: Ich habe immer gesammelt. Miranda war ein Ländersammelheft mit Staatswappen, Fahne, Landkarte, Münze pro Land, Briefmarken gab es auch. Alles Sammeln hat für mich mit Neugierde zu tun und nicht mit Besitzen. Zugang gewinnen – Türöffnerfunktion – Backstage sein. G.N.: Ob ich ein Sammlergen habe, glaube ich nicht. Wir haben das immer zusammen gemacht. Eigentlich finde ich den Gedanken des Sammelns schrecklich, und ich kann sicher für uns beide sagen, dass wir uns nicht als Sammler begreifen – vielleicht reicht der Ausdruck Kunstkäufer.

J.Krb.: Privatsammler*innen »entziehen den öffentlichen Institutionen zunehmend die Deutungshoheit über die Kunst«, betont Wolfgang Ullrich. Sind Sammler*innen heute wesentliche Entscheidungsträger und Multiplikatoren des Kunstbetriebs und bestimmen über Künstler*innen- Schicksale?

P.N.: So erfahre ich das nicht. Die Presse schreibt über einige Großnamen, »dabei entscheiden sich die normalen Künstlerkarrieren doch im täglichen Kleinklein im Mittelfeld«, eine zutreffende Aussage der »Zimmermänner «, einer Band aus Hamburg. Das Tägliche, das Kleine ist die Kunstwelt, nicht die Anlagestrategien von Lautsprechern. Am Ende geht wenig ohne den Ritterschlag durch die einigermaßen neutralen Museen. Ein Künstler kann finanzielle Erfolge haben, aber ohne institutionelle Anerkennung wird er nicht glücklich.

J.Krb.: Manche Leute würden gern Kunst kaufen, aber haben kein Geld. Andere haben Geld und kaufen keine Kunst. Sie haben Geld und kaufen Kunst. Wie finanzieren Sie Ihre Ankäufe?

G.N.: Wir haben noch nie Kunst gekauft, ohne zu wissen, wie wir sie bezahlen sollen. Kunst kaufen muss nicht teuer sein. Es gibt endlos viel tolle Kunst, die erschwinglich ist, und wenn man früh dabei ist, ist eh alles einfach. Große-Namen-Kunst ist oft teuer, weil sie jeder haben will, und sie birgt kaum noch Geheimnisse.

J.Krb.: Nicht jeder/jede Sammler*in bekommt das, was er/sie will. Galerien und mitunter auch Künstler verkaufen strategisch. Einige Sammler*innen werden hofiert und jetten auf Kosten der Galerien und Kunstmessen rund um die Welt von Messe zu Messe, von Biennale zu Biennale. Andere müssen sich in Wartelisten eintragen, hoffen und bangen endlich einmal zum Zuge zu kommen. Werden Sie bevorzugt behandelt oder bezahlen Sie Ihr Ticket selbst?

G.N.: Wenn es mal eine Hotelnacht gibt, nehmen wir die, fühlen uns aber nicht zu irgendetwas verpflichtet. Wir bekommen eine Übernachtung auf Kosten einer Messegesellschaft auf Grund früherer Taten. Wir gehen nicht zu Galerieessen, wenn wir bei einer Galerie noch nie gekauft haben – das engt ein. Generell gilt, Ball flach halten – es sind immer drei Sammler im Raum, die eine richtig dicke Nummer sind.

J.Krb.: Sie erwerben Kunst und verschaffen sich Eintritt in die Welt der Bohème, der Galerien und Museen. Steht Ihnen diese Welt noch offen, sofern Sie keine Kunst mehr kaufen?

G.N.: Man würde sehr schnell aus den Listen fallen. Das darf man aber einer wirtschaftlich betriebenen Galerie nicht zum Vorwurf machen. Geleristen denken und hoffen, dass sie keine Einzelhändler sind, sondern Heilsbringer, aber so ist es nicht.

J.Krb.: Sie sind auch publizistisch tätig, verantworten die Reihe »Texte zur WELT - wie sie ist und wie sie sein sollte«. Inzwischen sind 50 Hefte erschienen. Sie arbeiten mit Künstlern, Schriftstellern, Philosophen zusammen. Machen Sie strenge Vorgaben, und gibt es eine generelle Carte Blanche? Was ist die Intention dieser Reihe, gibt es Lesungen, wie werden die Hefte vertrieben?

P.N.: Zur Intention der Reihe sagt der Titel bereits alles: »Texte zur WELT - wie sie ist und wie sie sein sollte«. Die Vorgaben sind so – außen: immer Schulheftdesign, innen: Carte Blanche, hinten: was Rundes, wegen Texte zur WELT, Auflage: je nach Autor*in, 300/400 Stück, Druck: Sammlung Haus N. Klassische Lesungen finden nicht statt, vielmehr gab es schon drei Veranstaltungen in kleinem Festivalformat, 6 Leser, 1 Performer: Leon. Die Hefte werden verschenkt.

J.Krb.: Worin liegt der Reiz, die eigene Sammlung öffentlich zu präsentieren?

P.N.: Schön ist es, Teile der Sammlung zu zeigen und unbemerkt am Rand zu stehen, um zu sehen wie es läuft und vor allem nicht am nächsten Sonntag in den leeren Räumen zu sitzen und zu erfahren, dass wieder keiner kommt, weil der Wein ja ausgetrunken ist und schon die nächste neue Show anliegt. Jedes Zeigen führt zu neuen Kontakten. Es ist wie mit den Heften, die ja die Welt beschreiben sollen – es gibt nie ein Ende und man kann gar nicht genug Menschen kennen. Außerdem sollen ja bei unseren Beerdigungen noch ein paar Leute am Sarg stehen. Deshalb versuchen wir viele junge Leute als Freunde zu gewinnen, die haben eine höhere Chance zum Sarg kommen zu können/müssen.

J.Krb.: Sie sind auch mit Arbeiten aus Ihrer Sammlung in der Ausstellung »So wie wir sind 2.0« in der Weserburg Museum für moderne Kunst in Bremen vertreten. Dieses Ausstellungsformat ist als mehrteilige Serie angelegt und speist sich aus einer Vielzahl privater Sammlungen sowie aus den eigenen Beständen und Leihgaben von Künstler*innen. Mit welchen Arbeiten sind Sie in der Ausstellung dabei, welche Erfahrungen und Eindrücke konnten Sie mitnehmen?

P.N.: Nun, Corona hat ja ordentlich dazwischen gehauen. Wir waren, glaube ich, mit 13 Arbeiten am Start: Arbeiten von Kaari Upson, Michael Sailstorfer, Justin Matherly, Andrea Crespo, Björn Dahlem, Marguerite Humeau, Ahmet Ögüt, Agnieszka Polska, Santiago Sierra, Julius von Bismarck, Sven Johne. Ja, was soll ich sagen. Es gibt Leute in einer Stadt wie Bremen, die sich viel Mühe geben mit nicht riesengroßen Beträgen und übermütigen Sponsoren etwas auf die Beine zu stellen. Nicht einfach. Aber beide Ausstellungsmacher in der Weserburg sind nette und engagierte Leute. Klar, dass die alle Kunst bekommen, die sie brauchen, und wenn ich es richtig weiß, soll das auch noch weitergehen. Wir selber haben uns noch gar nicht eingebracht. Ich weiß, dass die Leute es lieben, wenn Sammler oder Künstler über die eigenen Arbeiten reden – der Backstageblick – das ist aber nicht passiert – das hat sicherlich auch mit Corona zu tun. Aber warum liest man hier dieses Interview. Es hat doch einen ähnlichen Hintergrund, mal sehen, was solche Leute so denken. Wie soll ich mich nun verhalten? Voll ehrlich, klar als Kieler könnte ich ja auch versuchen Politik zu machen und gegen jemanden zu stänkern, immer einfach, oder meine Interessen als Sammler zu publizieren – z. B. 5% Mehrwertsteuer auf Kunst. Aber ganz ehrlich, warum sollte es 5% MwSt. auf Kunst geben, warum eigentlich auf Bücher?

Joachim Kreibohm