Artist Ausgabe Nr. 124

Portraits

Frauke Dannert | Simon Modersohn | Franziska Keller | Jonathan Monk

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Regina Marie Möller

Portrait

Generation Trockner, 2019, Öl auf Leinwand, 160 x 110 cm

Textauszug

Simon Modersohn
Ein weißer Plastikgartenstuhl, Typ Monobloc, stapelbar. Eine weißcremefarbene Hundetransportbox, auf einem handelsüblichen Rollbrett stehend. Ein von Unkraut überwuchertes Motorrad. Oder ein hellblaues Einerkajak vor schlammfarbenem Hintergrund. Jedes dieser Objekte ist Gegenstand eines Gemäldes von Simon Modersohn. Eine sitzwillige Person, einen reisefreudigen Hund, einen motorradbegeisterten Jugendlichen oder einen durchtrainierten Wassersportler sucht der Betrachter jedoch vergebens. Womit wir bereits bei einem markanten Charakteristikum seiner Malerei wären: Simon Modersohns Bildwelten zeichnen sich durch ein subtiles Spiel mit An- und Abwesenheiten aus. Anwesend ist in der Regel die unbelebte Dingwelt, mit der sich Menschen umgeben. Oft sind es industriell hergestellte, in gewisser Weise genormte, nicht besonders luxuriöse und daher für jedermann verfügbare Objekte des Alltags, der Wohnumgebung oder der Freizeitwelten.

Auf dem 2019 entstandenen Gemälde »Generation Trockner« ist im Vordergrund eine aufgespannte, handelsübliche Wäschespinne, jedoch ohne Wäsche, zu sehen, neben der ein kleines Kindertrampolin aufgestellt ist. Eingefasst werden diese beiden Paradebeispiele für baumarkttypisches Gartenmobiliar von einer halbrund angelegten Koniferenhecke. Der auch als Grabbepflanzung beliebte, pflegeleichte Lebensbaum, auch Scheinzypresse genannt, gehört zu den eher konventionellen Gartenpflanzen, die häufig in Gartenmärkten und bei Discountern zum Aktionspreis angeboten werden. Im oberen Teil des Bildes jedoch tut sich eine zumindest auf den ersten Blick ganz andere Welt auf. Hier zu sehen ist in leichter Hanglage und mit gewiss gutem Ausblick auf die Umgebung ein großzügiges, von innen hell erleuchtetes Einfamilienhaus mit Dachfenster und Gaube. Unterschiedliche Lebenswelten und Einkommensklassen scheinen hier unmittelbar aufeinanderzuprallen.

Indem Simon Modersohn für dieses Bild den Titel »Generation Trockner« wählt, stellt er unter anderem auch einen Bezug zu dem im Jahr 2000 erschienenen Buch »Generation Golf« von Florian Illies her. Während die in diesem Buch beschriebene Generation jedoch ihren hedonistischen Lebensstil unter anderem, wie es der Titel schon andeutet, in der permanenten Mobilität suchte, scheint die »Generation Trockner«, wie Simon Modersohn sie darstellt, sich eher einer kleinbürgerlichen Sesshaftigkeit verschrieben zu haben. Gleichzeitig werden bestimmte Konventionen der soziologischen Charakterisierungen bestimmter Generationen beziehungsweise Alterskohorten wie »Generation X«, »Generation Y«, »Generation Z« und »Millennials« durch den Bildtitel in Erinnerung gerufen und ironisiert.

Beispiele von spießig-restaurativer Architektur finden sich auch in den Bildern von Simon Modersohn. Die dargestellten Häuser mit ihren akkurat gepflegten, geradezu »kuratierten« Vorstadtgärten und ihrer übermöblierten Enge wirken wie Kulissen der freiwilligen Selbsteinmauerung. Zu beobachten ist auch ein gewisser Fanatismus des Heimwerkertums. So zum Beispiel auf dem 2020 entstandenen Gemälde »Brückentag«. Wieder einmal ist es, wie auf fast allen Gemälden Simon Modersohns, Abend geworden. Zeit also, die baustellenartige Szenerie elektrisch auszuleuchten. Links im Vordergrund zu sehen ist eine Flutlichtlampe, deren Schein eine abgestellte Schubkarre stark ausleuchtet und ihren übergroßen Schatten auf eine im Entstehen begriffene Wand aus weißen Ytong-Steinen wirft. In der rechten Bildhälfte ist ein Betonmischer zu sehen, der anscheinend von einer ganz anders positionierten Lichtquelle ausgeleuchtet wird und daher seinen Schatten auf den Boden wirft. Viel (Lichter-)schein, wenig Sein? Auch hier wieder ist der Mensch selbst abwesend. Es sind keine Akteure, sondern lediglich die Spuren ihrer Aktivitäten zu sehen. Insofern ließen sich Simon Modersohns Bilder als »gemalte Schwebezustände« zwischen Abwesenheit und Anwesenheit des Subjekts bezeichnen. Seine Protagonisten beziehungsweise deren von Konventionen und Konformismus geprägte Gedankenwelt macht er umso sichtbarer, indem er sie ganz einfach weglässt.

Auch auf Bildern mit Titeln wie »Kneipp’s Garten« (2019) oder »Round Up« (2018) sind keine Sehnsuchtsorte zu sehen, sondern vielmehr Abziehbilder von Konventionen und Zwängen. Anders als in den beim Lesepublikum zur Zeit überaus populären, harmlos-ironischen Landlustsatiren von Schriftstellerinnen wie Dörte Hansen (»Altes Land«, 2015) oder Christiane Neudeck (»Sommernovelle«, 2015), vermitteln Simon Modersohns Gemälde die Aura einer trügerischen Schein-Idylle, die geprägt ist von einer zunehmenden Gentrifizierung auch in ländlichen Gebieten. Vor dem Hintergrund der Verdrängung der alteingesessenen ländlichen Bevölkerung durch Stadtflucht, steigende Preise und den schleichenden Import neuer, urban geprägter Lebensstile wird vielfach ein neuer Blick auf das Leben in ländlichen Gebieten geworfen. Gerade unter Großstädtern populäre Magazintitel wie »Landlust«, »Landgenuss« oder »Mein schönes Land« sowie TV-Formate wie »Expedition in die Heimat« (SWR), »Landpartie – Im Norden unterwegs« (NDR) oder »Land und Lecker« (WDR) zeugen davon. In diesen idealisierten Formaten wird das Land relativ eindimensional als Ort des guten beziehungsweise besseren Lebens dargestellt.

Nicole Büsing / Heiko Klaas