Portrait
Mock Suns, 2020, Acrylharzlack, Tusche, Abtönkonzentrat, Pigment und Bronze-Pulver auf Aluminiumverbundplatte, 200 x 200 cm
Textauszug
Dave BoppWie schafft es ein junger Maler (*1988 in Basel), Bilder hervorzubringen, die einerseits an die Malereitradition andocken und gleichzeitig eine hundertprozentige Eigenständigkeit demonstrieren? Der an der Stuttgarter Akademie ausgebildete Künstler erarbeitet seine Bildfindungen prozessbasiert in einer Verbindung von analog und digital. Dabei bestehen die dabei entstehenden Werke aus nichts als Farbe auf Aludibond. Die Platten werden mit verschiedenen Farben, darunter auch Lacke, regelrecht begossen, das Ganze wird fotografiert und am Rechner weiterbearbeitet. Entscheidend ist das Auswahlverfahren, das jetzt einsetzt: prägnante Form- und Farbereignisse werden extrahiert, indem über einen Schneideplotter davon Schablonen angefertigt werden, die den ausgewählten Ausschnitt auf dem Bild fixieren und vor den darübergelegten Schichten schützen. Unter den Sedimenten des aufeinander geschichteten Farbmaterials bleiben sie so erhalten und werden am Ende wieder offengelegt.
Sieht man einmal von der Raffinesse der rein technischen Seite ab, gestaltet sich Malerei hier wie bei jeder anderen Technik als Abfolge von Entscheidungen. Welche Samples bleiben stehen, welche werden im nächsten Malvorgang wieder überdeckt? Über das Freistellen, Weiterbearbeiten und neu Arrangieren von weitgehend unkontrolliert ineinanderfließenden Formen baut sich die Bildtektonik auf. Dieser ungewöhnliche Ansatz unter Einsatz neuer technischer Mittel erfordert nicht weniger Einfühlung in die Bildentwicklung als die altmeisterliche Vorgehensweise.
Das aufregende und faszinierende Aufspüren eines Zustandes, an dem sich etwas Neues zeigt, und daran weiterzuarbeiten, war immer schon der wesentliche Antriebsmotor der Malerei. Aber in diesem Fall wird die Ermöglichung von neuen, nie gesehenen Bildformen zur grundlegenden Bedingung, indem die Farben erst einmal sich selbst überlassen werden. Darauf folgt der Auswahlprozess. Dieses ineinander Verzahnen von Selbstaktivierung der Farbe und subjektiver Entscheidung der Auswahl macht die Besonderheit der Bilder von Dave Bopp aus. Und vermutlich folgen die Entscheidungen denselben inneren Bildern, die auch schon für Max Ernst, Willi Baumeister, Albrecht Altdorfer und Jackson Pollock maßgeblich waren.
Bopp geht durchaus von einer Idee aus, zum Beispiel von einem Formenvokabular, das sich an Organischem orientiert. Im Laufe der Bildenwicklung muss sich das Bild aber von dieser Idee abnabeln und in einen selbstbestimmten Prozess übergehen. In letzter Zeit scheint der subjektive Anteil des Malers zuzunehmen. Er greift nun mit eigenen Zeichnungen ein, die sich mit dem aus dem Zusammenfließen der Farben entstandenen Formenkanon verbinden. Persönlichen Assoziationen wird ein größerer Raum gewährt, was sich auch in der Titelgebung widerspiegelt.
Die Vorstellungskraft ausloten und Grenzen sprengen, das ist das Thema dieser Malerei, das auch in den Ausstellungstiteln ausgedrückt wird: »Headroom« beschreibt die lichte Höhe zwischen dem Kopf und der oberen Raumgrenze, beispielsweise im Auto oder Flugzeug. Es ist ein Freiraum, der zusätzlich zu dem körperlich ausgefüllten Raum optional zur Verfügung steht und genutzt werden sollte. Mit »Wallhack«,
dem Titel einer Ausstellung Ende 2019 / Anfang 2020 in der EnBW Hauptzentrale in Karlsruhe, verwendete Dave Bopp einen Begriff aus der Gamerszene. Damit wird die Möglichkeit bezeichnet, durch virtuelle Wände zu sehen und auch zu gehen. Analog dazu wurde in der Ausstellung gänzlich auf Stellwände verzichtet. Stattdessen wurden fast ausschließlich Großformate gezeigt, die in der Ausstellungssituation als Raumteiler und Displays fungierten.
Immer wieder überschreitet Dave Bopp Grenzen und dringt in andere Wahrnehmungsdimensionen vor. Auf rein analoger Basis vermittelt sich in der Betrachtung dieser farbstarken, überaus präsenten und interaktiven Bildkörper eine ganzheitliche Erfahrung von Entgrenzung und Erweiterung des eigenen Horizontes.
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