vergriffen
Artist Ausgabe Nr. 61
Portraits
Karim Noureldin | Oystein Aasan | Daniel Maier-Reimer | Matthias Weischer | Francis Alys | Teresa MargollesInterview
Susanne TitzPage
Silke WagnerPolemik
Uta M. ReindlEssay
Harald WelzerKünstlerbeilage
Florian SlotawaPortrait
Ambulantes I, 1992 - 2002, Diaprojektion mit 80 Dias, Maße variabel, Courtesy Lisson Galerie, London und der Künstler
Textauszug
Francis AlysAlÿs erweist sich als äußerst sensibler Diagnostiker seiner Zeit und seiner Umgebung. Mit innerer Gelassenheit schreitet er durch die Stadt, beobachtet, nimmt Eindrücke auf, macht hier ein Foto, dort eine Zeichnung, verweilt, lässt sich treiben, verschwindet wieder. Ähnlich wie in Wilhelm Genazinos Flaneur-Roman »Ein Regenschirm für diesen Tag« (2001) sind es die kleinen Alltagsbeobachtungen und die beiläufigen Szenen am Rande wie einige Tropfen Kinderspucke auf einer Plakatsäule oder Schwalben in einer Unterführung, die die Aufmerksamkeit des Protagonisten erfahren. Hier bestimmt der Blick des Künstlers das Geschehen, der des Literaten in der Großstadt ganz wie der des bildenden Künstlers Francis Alÿs in Mexico City. »Heute denke ich kaum noch etwas, ich schaue nur umher. Wie man sieht, bin ich dabei ins Lügen verfallen. Denn es ist nicht möglich, in den Straßen umherzugehen, ohne etwas zu denken«, formuliert Genazinos Ich-Erzähler und beschreibt damit das Lebensgefühl des großstädtischen Flaneurs, egal ob in Europa, in Lagos, Shanghai oder Mexico City.
Alÿs ist ein Meister der beiläufigen Beobachtungen, der flüchtigen Randnotizen und der ephemeren Phänomene und Erscheinungen. Menschen, Dinge und Merkwürdigkeiten des Alltags, die andere vielleicht übersehen, erfasst er auf seinen Spaziergängen und Streifzügen durch Mexico City mit einer großen Sensibilität. Sein Blick ist jedoch nicht der des europäischen Voyeurs, der mit der Haltung des arroganten westlichen Eroberers auf ein ärmeres Land blickt.
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