Artist Ausgabe Nr. 60
Portraits
Klaus Hartmann | Louise Lawler | Mona Hatoum | Anri SalaPage
Kyung-Hwa Choi-AhoiPolemik
Thomas WulffenAusstellungen
»After Images«Thema
Raimar StangeKünstlerbeilage
Stefan MauckEdition
Markus HuemerPortrait
Untiteled (Wheelchair), 1998, Edelstahl, Gummi, 97 x 50 x 84 cm, Sammlung Olbricht, Essen, Foto: Edward Woodman
Textauszug
Mona HatoumIn Hatoums künstlerischer Welt regiert der Alptraum. Alltägliche und vertraute Gegenstände erweisen sich als extrem unzuverlässig oder werden zu Instrumenten der Gewalt. Krücken aus Kautschuk können nichts mehr stützen, nicht einmal sich selbst. Sie sacken auf dem Boden zusammen wie eine soft sculpture von Claes Oldenburg. Ein Babybett wird zum Folterbett. Wo üblicherweise die Matratze liegt, spannen sich schneidende, stählerne Drähte. Eine harmlose Kinderschaukel droht mit einem gefährlichen Sitz. Ein Rollstuhl hat statt der Griffe zum Schieben zwei scharfe Messer. Mit ihnen wird Helfen zum Akt der Selbstverstümmelung. Der Abtreter vor der Haustür besteht aus spitzen, verletzenden Metallstäben. Seinem freundlichen »Welcome« sprechen sie Hohn. Eine große Reibe. »Greater Divide«, sieht aus wie ein martialisches Folterinstrument. Nicht anders als »La Grande Broyuse«, ein Küchengerät, mit dem man Gemüse zu Brei passieren kann. Der Titel der Arbeit ist ein deutlicher Hinweis auf Duchamps Schokoladenreibe und damit eine Hommage an den Begründer des ready made, dem Hatoum hier ihren Dank abstattet. Ohne ihn wären diese Werke, die in der Tradition des ready made assisté, des bearbeiteten ready made stehen, nicht denkbar.
Mona Hatoums beste Arbeiten wirken wie Energie geladene Batterien, Joseph Beuys Lieblingsbild für das gelungene Kunstwerk. Gleichgültig, welchem Anlaß sie sich verdanken, ob den Grausamkeiten der großen Politik oder den Absonderlichkeiten eines widerspruchsvollen Alltags, in der ästhetischen Transformation der Künstlerin werden die Werke zu Bildern, deren Bedeutung weiter reicht als ihr Anlaß. Stets transzendieren sie das als Auslöser fungierende singuläre Ereignis hin zur anthropologischen Universalie und zum verbindlichen Gleichnis. Die Strategien, derer sie sich bei ihren Werken bedient, reichen von der souveränen Handhabung klassischer Rhetorikfiguren wie der Inversion über Anleihen bei der Syntax des objet trouvé bis hin zur Verwendung von Elementen der Minimal Art und des Surrealismus. Vor allem haben es ihr die überraschenden Metamorphosen und paradoxen Allianzen des Surrealismus angetan. Natürlich, weiß Mona Hatoum, haben dessen Widersprüche mit verdrängten Sehnsüchten zu tun. Wir fühlen eben oft anders als wir sollen. Diese Dinge sind bis heute wichtig für sie. Einer ihrer Lieblingskünstler ist immer noch Margritte. Das erste Buch, das sie sich als junge Kunststudentin an der Londoner Slade School kaufte, handelte von seinem Werk.
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