Artist Ausgabe Nr. 112

Essay

Textauszug

Tradition - Aufbruch
Schaut man sich in Business Schools und auf Wirtschaftsplattformen um, dann bekommt man schnell folgenden Eindruck: Hier werden die kreativen Strategien der Zukunft verhandelt. Künstlerische Prozesse, oder was man dafür hält, werden freudig empfangen und rasant in ökonomische Sachzusammenhänge verwickelt, bis das Heiligtum der Kreativität in den flachen Führungsetagen unserer in Nachhaltigkeit, Exzellenzinitiativen und Resilienz getränkten Zukunftsapostel aufweicht oder gleich zum allumfassenden Totschlagargument stilisiert wird. Denn wenn alles kreativ sein darf oder muss, bleibt nicht viel übrig. Dazu gesellen sich dann die Vagabunden und Evangelisten der digitalen Transformation und geben sich mit den in die Jahre gekommenen Verfechtern des Design-Thinking ein munteres Stelldichein. Gepaart mit den Sportsfreunden der disruptiven Techniken – bis der globale Innovationswahn in den untersten Etagen mittelständischer Unternehmen kulturlos in sich zusammenbricht. Ein Prozess der totalen Überforderung oder mangelnde Bereitschaft zur Neuausrichtung? Das ist hier die Frage.

Kunst ist Kommunikation. Darauf konnten wir uns alle einigen. Dass jedoch gut gemeinte Inhalte nicht die spezifische Sprachkritik künstlerischer Begriffsbildung und eigenständiger Formensprache überdecken dürfen, über diese zeitlose Old-School-Ansicht des Autors hätte man noch ein bisschen streiten können.

Roland Schappert