Artist Ausgabe Nr. 87
Portraits
Heinrich Modersohn | Gerwald Rockenschaub | Alicja Kwade | Angela Bulloch | Luis GordilloInterview
Hubertus GaßnerPage
Brigitte WaldachPolemik
Dieter FroelichEssay
Raimar StangeKünstlerbeilage
Wolfgang EllenriederPolemik
Textauszug
»Kochen als Kunstgattung«Ein Brei aus Kartoffeln, Butter, Sahne und Gewürzen auf einem Teller ist à priori nicht weniger Kunst als ein Brei aus Pigmenten, Bindemitteln und Füllstoffen auf einer Leinwand. Nahrungszubereitung ist - wie jede Kulturleistung - Formulierung von Weltsicht und Weltverständnis. Spätestens seit Roger Buergel den Starkoch Ferran Adrià im Jahre 2007 zur »documenta 12« einlud, hatte es auch der letzte Kunstinteressierte verstanden: Kochen ist eine Gattung der Künste. (Die Designergilde war übrigens schneller, Adrià zu einem der ihren zu erklären - sie verlieh ihm bereits 2006 den »Lucky Strike Designer Award«.)
Kunst ist Weltentwurf und Haltung. Kreativität ist etwas für Friseure. Solange die Köche jedem Trend hinterherlaufen und sich dem Novitätenterror des Systems ergeben, sind sie nichts weiter als affirmative Unterhaltungskünstler.
Es ist müßig zu fragen, ob Kochen nun eine Kunstgattung sei oder nicht. Es gibt keinen verbindlichen Kunstkanon mehr. Kunst ist Setzung und Speisen sind Bilder. Letzteres ist nicht erst seit »Prousts Madeleine« oder »Benjamins Maulbeeromelette« bekannt. An ihren Konzepten und Handlungen sollen die Kochenden gemessen werden, egal, ob der Herd in Galerie oder Restaurant steht.