Artist Ausgabe Nr. 118
Portraits
Beatriz González | Cady Noland | Katja Stuke und Oliver Sieber | Hella GerlachInterview
Regina BarunkePage
FORT »Symptoms of the Universe«Essay
Raimar StangeEdition
Gunter ReskiInterview
Regina Barunke, Direktorin, GAK Bremen, Foto: Hartwig Schwarz, Köln
Textauszug
Regina BarunkeJ.Krb.: Biografisches: Studium der Kunstgeschichte sowie Englische Philologie in Köln und London. Verwaltung von Künstlernachlässen für die Stiftung Kunstfonds Bonn (2009 bis 2011), Projektkoordination für die European Kunsthalle Köln (2008 bis 2009). Assistentin von Andreas Gursky in der Galerie Sprüth/Magers (2007 bis 2008). Lehrbeauftragte am Kunsthistorischen Institut und dem Institut für Kunst und Kunsttheorie der Universität zu Köln (seit 2010). Seit 2012 künstlerische Leiterin, Kuratorin und Geschäftsführerin der Temporary Gallery – Zentrum für zeitgenössische Kunst e.V. in Köln, die 2018 mit dem ADKV-ART COLOGNE Preis für Kunstvereine ausgezeichnet wurde. Am 1. Januar 2019 mit 44 Jahren hast du die Leitung der Gesellschaft für Aktuelle Kunst angetreten. Das Berufsbild KuratorIn ist nirgendwo eindeutig fixiert. Derzeit stehen Marketingerfahrung, eloquentes Auftreten und betriebswirtschaftliche Kenntnisse hoch im Kurs. Bleiben Kunsthistoriker und Kunstwissenschaftler auf der Strecke, ist die Leidenschaft für Kunst eher hinderlich für die Karriere?
R.B.: Biografien kann man so und so lesen. Es gibt sicher weitere Stationen (Volontariat, Kuratoren-Stipendium, Projekträume), die meine »kuratorische Arbeit« expliziter hervorheben. Dennoch, in dem breiten Spektrum an Tätigkeiten, die ich über die Jahre kennengelernt habe, finden sich überall Aufgabenbereiche und Netzwerke, die für meine Arbeit heute wichtig sind. Mit Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit umgehen zu können, ist dabei nur von Vorteil.
J.Krb.: In Köln warst Du verantwortlich für monografische Ausstellungen wie u.a. Ana Jotta (2018), Olivier Foulon, John & James Whitney (2017), Sidsel Meineche Hansen (2015), Edith Dekyndt und Ben Rivers (2014). Und auch verantwortlich für thematische Ausstellungen wie »Straub/Huillet/Cézanne. Seelen malt man nicht« (2018) und die Vorgängerausstellung »Straub/Huillet/Weiss. Fremdheit gegenüber unserer engen, vertrauten Welt« (2016) sowie »I See So I See So. Messages from Harry Smith« (2016), »Cacophony of Things« (2014) und »Paraphantoms« (2012). Du entscheidest dich für und gegen bestimmte Künstlerinnen und Künstler, für und gegen bestimmte Themen. Was sind die Kriterien?
R.B.: Ich lade Künstlerinnen und Künstler ein, weil ich von ihrem Werk überzeugt bin und darauf neu- und begierig, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das ist selten spontan, sondern ein Prozess der Annäherung von beiden Seiten. Als ich Ana Jotta nach Köln einlud, besuchte ich sie vorher mehrere Male in Lissabon, und dass uns Miguel Wandschneider unterstützte, ergab sich dann irgendwann. Das Gleiche mit Olivier Foulon, der interessanterweise als einer von wenigen die Arbeit von Ana aber auch Straub/Huillet kannte und schätzte. Auch das war ein längerer, sehr spannender Prozess der Annäherung mit einem sehr guten Ergebnis. Oder: Ich habe mich lange und viel mit dem US-amerikanischen Experimentalfilm der Westküste beschäftigt. So kam das Interesse an den Whitney Brüdern und Harry Smith. Dass John Whitney aus ausrangierter Flugabwehrtechnologie des Zweiten Weltkriegs seine Kameramaschinen konstruierte und dass Harry Smith Experimentalfilmer, aber eben auch Mystiker, Ethnomusikologe und ein wichtiger Protagonist der US-amerikanischen Counterculture der 1960er Jahre war – das floss dann in die Ausstellungen und in zahlreiche Veranstaltungen ein.
J.Krb.: Und Jean-Marie Straub und Danièle Huillet?
R.B.: Ihr Werk lässt mich nicht los, nicht nur weil es radikal und sperrig, sondern aktuell ist. Bei »Fremdheit gegenüber unserer engen, vertrauten Welt« in 2016 ging es um es das parallele Wirken der Straubs und Peter Weiss im Rheinland der 1960er und 1970er Jahre, und damit verbunden um Fragen zur faschistischen Kapitulation und Restauration Westdeutschlands und deren Vergangenheitsbewältigung. Die Ausstellung war in Köln, viele der Drehorte lagen fußläufig, und die Fragen waren und sind die, die uns heute mehr denn je beschäftigen. Das Gleiche gilt für ihren Cézanne-Film, der auf einem Text von Joachim Gasquet basiert. Gasquet war ein junger Mensch, der zwei Bilder von Cézanne gesehen hatte und so begeistert war, dass er den Maler kennenlernen wollte. Er traf sich mit ihm, schrieb die Gespräche auf (Ce qu’il m’a dit, 1912/13, erstmals veröffentlicht 1921). Straub dazu: »Der Text ist eine Lektion in Ästhetik, Politik und Moral, mit der man nicht unbedingt einverstanden sein muss, aber er ist eine gute Lektion in Ästhetik, Politik und Moral. Und wo findet man das noch heutzutage? Sicher nicht auf France Culture. Das ist alles. Und selbst wenn Sie nicht mit Cézanne / Gasquet einverstanden sind – es ist eine große Lektion in Ästhetik, Politik und Moral.« Überlassen wir es den Besuchern, ob sie diese Meinung teilen.
J.Krb.: Zwar besucht ein junges Publikum verstärkt Ausstellungseröffnungen, ist aber selten bereit, Mitglied eines Kunstvereins zu werden. So ist die Mitgliederstruktur vieler Vereine überaltert. Generell können wir eine gewisse Vereinsmüdigkeit in Deutschland konstatieren, auch Parteien und Sportvereine klagen und sind auf der Suche nach Nachwuchs. Was tun?
R.B.: Man kann ja niemanden zwingen. Vielleicht könnte man ein paar Leckerlies für neue Mitglieder auslegen oder Geschenke versprechen. Aber sobald die Geschenke aus sind, treten die Mitglieder wieder aus. Seit zwei Jahren bietet die GAK mit ihren »Patenschaften« allerdings ein sehr interessantes Modell: Wer kann und will übernimmt die zweijährige Mitgliedschaft für ein oder mehrere junge Mitglieder. Entscheidend ist hier nicht nur die Summe von 24 Euro pro Mitglied, sondern dass es eine Form von Zugehörigkeit schaffen kann.